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2. Die Durchbruchsschlacht in Westgalizien.
1. Völlig überraschend für den Feind hatten sich Ende April 1915
größere deutsche Truppenverschiebungen nach Westgalizien vollzogen. Diese
Truppen, den Befehlen des Generals v. Mackensen unterstellt, hatten die
russische Front zwischen dem Karpathenkamm und dem mittleren Dunajec
im Verein mit den benachbarten Armeen unseres österreichischen Verbün—
deten zu durchbrechen. Die Aufgabe war neu und keineswegs leicht. Der
Himmel bescherte unseren Truppen wundervollen Sonnenschein und trockene
Wege. So konnten die Flieger und die Artillerie zu voller Tätigkeit ge—
langen.
Die Schwierigkeiten des Geländes, das hier den Charakter der Vorberge
der deutschen Alpen oder der Hörselberge in Thüringen trägt, mußten über—
wunden werden. Unter den größten Mühsalen mußten an verschiedenen
Stellen Schießbedarf auf Tragtieren herangeschafft und Wagenzüge und
Batterien über Knüppeldämme vorwärts gebracht werden. Alle für den
Durchbruch nötigen Erkundungen und Vorbereitungen vollzogen sich rei—
bungslos in aller Stille.
2. Am 1. Mai nachmittags begann die Artillerie sich gegen die russischen
Stellungen einzuschießen. Diese waren seit fünf Monaten mit allen Regeln
der Kunst aufgebaut. Stockwerkartig lagen sie auf den steilen Bergkuppen
und an deren Hängen übereinander, mit Hindernissen wohl versehen. An
einzelnen, den Russen besonders wichtigen Geländepunkten lagen bis zu
sieben Schützengrabenreihen hintereinander. Die Verteidigungswerke waren
sehr geschickt angelegt und vermochten sich gegenseitig zu flankierenl.
Die Infanterie der verbündeten Truppen hatte sich in den Nächten,
die dem Sturm vorangingen, näher an den Feind herangeschoben und
Sturmstellungen ausgebaut. In der Nacht vom 1. zum 2. Mai feuerte
die Artillerie in langsamem Tempo gegen die feindlichen Anlagen. Ein—
gelegte Feuerpausen dienten den Pionieren zum Zerschneiden der Draht—
hindernisse.
3. Am 2. Mai, 6 Uhr morgens setzte auf der ausgedehnten, viele Kilo—
meter langen Durchbruchsfront überwältigendes Artilleriefeuer von Feld—
kanonen bis hinauf zu schwersten Kalibern an, das vier Stunden lang un—
unterbrochen fortgesetzt wurde. Um 10 Uhr morgens schwiegen plötzlich
die Hunderte von Feuerschlünden, und in dem gleichen Augenblick stürzten
sich die Schwarmlinien und Sturmkolonnen der Angreifer auf die feindlichen
Stellungen. Der Feind war durch das schwere Artilleriefeuer derart er—
schüttert, daß an manchen Stellen sein Widerstand nur mehr gering war.
In kopfloser Flucht verließ er, als die Infanterie der Verbündeten dicht vor
seine Gräben gelangte, seine Befestigungen, wobei Gewehre und Koch—
geschirre fortgeworfen und ungeheure Mengen Infanteriemunition und
zahlreiche Tote in den Gräben zurückgelassen wurden. An einer Stelle