Gedächtnisrede für König Maximilian II. von Bayern. 53
seines Vaters sei, daß jene deutsche Gesinnung, jene freudige,
der vergangenen Größe unsrer Nation gezollte Huldigung,
jener warme und lebendige Eifer für das Ansehen, für die
Ehre und das Gedeihen des ganzen Deutschlands, jene ge—
rechte Würdigung der Vorzüge unferes Volkscharakters, kurz
jenes patriotische Gefühl, welches König Ludwig ihm als
Erbteil überliefert hatte, auch in seiner Seele tief gewurzelt
sei. Und mit der gleichen verständigen, liebevollen Für
sorge hatte er auch die Geschichte und die speziellste Kunde
Bayerus in seine pflegende Obhut genommen, ganz Deutsch- 10
land wird dies anerkennen und würdigen, wenn einmal das
durch ihn hervorgerufene und ermöglichte Nationalwerk
Bavarta, diese vollständigste und genaueste Schilderung
des Landes, des Volkes und aller seiner Denkwürdigkeiten,
fortgeführt, und damit ein Musterwerk, um welches andere 15
Staaten uns beneiden werden, aufgestellt sein wird.
Daß die echte Wissenschaft, die der Natur oder die der
Geschichte, in einen unauflöslichen Widerstreit geraten würde
mit der Religion, daß die letztere dadurch ernstlich beschädigt
und untergraben werden würde, das hielt der König nicht 20
für möglich, und eine derartige Besorgnis ließ er nicht auf⸗
kommen. Für ihn gab es keinen aäbsoluten Widerspruch
zwischen Glauben und Wissen, zwischen Wissenschaft und
Re ion, zwischen den Offenbarungen, welche die Natur,
und denen, welche die heilige Schrift und die Kirche dar 25
bieten. Er glaubte, daß Gott sich sowohl in der Natur
bezeuge als in der Geschichte der Menschheit, wenn auch
das umwölkte Auge des Forschenden ihn zu sehen und am
zuerkennen sich oft weigere. Die Richtung auf einen trost—
und ideenlosen Materialismus, welche in der Naturforschung 80
des Tages sich vielfach geltend macht, hielt er für eine
allerdings sehr schädliche, jedoch vorübergehende Verirrung,
welche noch durch die Wissenschaft selbst vieder werde über
9 des ganzen Deutschlands — des ganzen deutschen
Landes.