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5. Stimmungsbilder aus dem
Felde.
65. Eine freundliche Stimme über Deutschland.
Sven Hedin, der berühmte schwedische Forscher und Welt—
reisende, der viele Wochen auf dem westlichen Kriegsschauplaßz an
der Front geweilt hat, um dort Vorstudien zu einem Werk über den
Weltkrieg zu machen, hat von dort ein längeres Schreiben an einen
schwedischen Freund gerichtet, in dem er sich folgendermaßen über
Deutschland und den Welkkrieg äußert:
Du weißt, daß ich vom ersten Tage des Krieges an nicht einen
Augenblick an seinem Ausgange gezweifelt habe. Daß es schwer und
kostspielig werden würde, eine solche Übermacht zu überwinden,
war leicht zu verstehen. Aber jetzt, nachdem ich so viel mit eignen
Augen gesehen habe und mich mitten in dem Wirbel der Geschehnisse
befinde, verstehe ich klarer als je, daß das deutsche Volk, das jetzt für
sein Dasein kämpft, siegen muß. In einer Stadt, in der ich mich
ein paar Tage aufhielt, zog jede halbe Stunde eine Truppenabteilung
durch. An den unzähligen Etappen marschierten ununterbrochen
unabsehbare Truppenmassen an die Front. Wohin man auch kommt:
überall wimmelt es von jungen, gesunden, kräftigen, wohlausgebilde—
ten und gut ausgerüsteten Soldaten. Es ist eine Völkerwanderung,
wie sie die Welt nie geschaut hat. Es ist der Zug der Germanen
gegen Westen im Kampf für ihr Dasein und ihre Zukunft. Und doch
merkt man in Deutschland keine Spur von der Anstrengung.
In entgegengesetzter Richtung, von der Front nach Deutschland,
bewegt sich auch ein gewaltiger Strom — es sind die Verwundeten,
die gepflegt werden sollen, und die man seinem Lande erhalten will,
und es sind auch die Gefangenen. Ich habe gesehen, wie diese be—
handelt werden, habe auch mit Hunderten von Gefangenen gesprochen,
und ohne Ausnahme heben sie mit Dankbarkeit die milde und mensch—
liche Behandlung hervor, die sie genießen. Sie erhalten die gleiche
kräftige Verpflegung wie die deutschen Soldaten. Sie waren alle
vergnügt und entzückt. Diese menschliche Behandlung hat die größte
Verwunderung der französischen Soldaten hervorgerufen; sie hatten
ganz anderes erwartet. Unter Zweifel und mit Entrüstung habe ich