Full text: Homers Ilias und Odyssee nach Voß (Teil 1, [Schülerband])

— 86 — 
Und des Lebensbaumes. Sie sang mit melodischer Stimme, 
Ging und wirkte ein schönes Geweb' mit goldenem Schiffchen. 
Rings um die Grotte wuchs ein Hain voll grünender Bäume. 
Erlen und Schwarzpappeln und düftereiche n un 
Unter dem Laube wohnten die breitgefiederten Vögel, 
Eulen und Falken und zungenstreckende Wasserkrähen. 
Welche die Küste des Meers mit gierigem Blicke bestreifen. 
Um die gewölbete felsige Grotte da breitet' ein Weinstock 
Seine schattenden nn und hing voll prangender Trauben. 
Und vier Quellen ergossen ihr nte Wasser, 
Eine nahe der andern, und schlängelten hierhin und dorthin. 
Wiesen grünten umher, mit Veilchen bewachsen und Eppich. 
Selbst ein unsterblicher Gott würd' verweilen, wann er vorbeiging, 
Voll Verwunderung dort und sich freuen herzlich des Anblicks. 
Voll n un stand der rüstige 
Und nachdem er alles in seinem Herzen bewundert, 
Ging er eilend hinein in die schöngewölbete Grotte. 
Ihn erkannte sogleich die hehre Göttin Kalypso: 
Denn die unsterblichen Götter erkennen immer das Antlitz 
Eines anderen Gottes, und hat er auch ferne die Wohnung. 
Aber nicht Odysseus den Mutigen fand er zu Hause; 
Weinend ins der am Ufer des Meers. Dort saß er gewöhnlich 
Und zerquälte sein n mit Weinen und Seufzen und Jammern 
Aber den Hermes ließ die hehre Göttin Kalypso 
Auf einen strahlenden, glänzenden Thron sich setzen und fragte: 
„Warum kamst du zu mir, du Gott mit deim goldenen Stabe, 
Hermes, ein lieber, geehrter Gast? Sonst besuchst du mich niemals. 
Sage, was du a ich will es gerne gewaͤhren, 
0 Steht es in meiner Macht und sind es mögliche Dinge.“ 
Also, sprach Kalypso und setzte dem Gotte die Tafel 
Voll Ambrosia vor und mischte rötlichen Nektar. 
Und nun aß er und trank, der rüstige Argosbesieger. 
Und nachdem er gegessen und seine Seele gelabet, 
Da begann er und sprach zut hehren Göttin Kalypso: 
„Fraägst du, warum ich komme, die Göttin den Gott? Ich will dir 
Dieses alles genau verkündigen, wie du befiehlest. 
Zeus gebot mir (es war nicht mein e diese Reise zu machen! 
00 Denn wer ginge wohl gern durch dieses salzigen Meeres 
Unermeßliche Flut? Ringsum ist keine der Städte, 
Wo man die Götter mit Opfern und Hekatomben begrüßet! 
Aber kein Himmlischer, mag dem Aegis haltenden Gotte 
Zeus entgegen sich stellen noch seinen Willen umgehen. 
105 Dieser sagt es weile der Unglückseligste aller 
Männer bei dir, w ngne um Troja, des Priamos Feste. 
Jetzo gebeut dir der Gott, daß du ihn eilig entlassest. 
Denn ihm ward nicht bestimmt, hier fern von den Seinen zu sterben; 
Sondern sein Schicksal ist, die Freunde wiederzuschauen 
uls Und sein prächtiges Haus und seiner Väter Gefilde.“ 
Als er es sprach, da erschrak die hehre Göttin Kalypso. 
Und sie redet' ihn an und sprach die geflügelten Worte: 
„Grausam seid ihr vor allen und n Herzens, o Götter! 
Jeglicher Göttin ihr die öffentliche Vermählung 
Nit dem sterblichen Manne, den sie zum Gatten erkoren 
Als den schönen Orion die rosenarmige Eos 
Raubte, da zürnetet ihr so lang', ihr seligen Götter,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.