Object: Lesebuch für die katholischen Wiederholungsschulen Österreichs

75 
stand ein Krieg aller gegen alle, der Stärkere siegte, der Schwä— 
chere unterlag; das Eigenthum hieng einzig von der Kraft und 
Staͤrke des Besitzers ab, und die persoͤnliche Freiheit war durch das 
Vermögen bedingt, mit welchem sie vertheidigt wurde. Solche Zu— 
stände führten ader zu Raub, Unterjochung, Sklaverei und erstick— 
ten alle menschlichen Tugenden. 
Es verbanden sich daher viele Menschen zu gegenseitigem 
Schutze und setzten gewisse Bedingungen fest, unter welchen sie einan— 
der beistehen wollten. Damit aber jeder Einzelne diese Bedingun— 
gen erfülle, und bei entstehenden Feindseligkeiten von außen die 
Kräfte aller in einem gewissen Punkte vereinigt seien, um zur ge— 
meinsamen Vertheidigung verwendet werden zu können, wählte man 
uranfänglich ausgezeichnete, durch Körper- und Geisteskraft hervor⸗ 
ragende Maͤnner, denen man die Bewachung der Gesetze und die 
Anordnungen im Kriege übertrug; so entstanden Fürsten und Ober— 
häupter, deren Zweck und Bestimmung war, die Kraft aller zur 
Vertheidigung der Rechte des Einzelnen zu verwenden. Fin solches 
Zusammentreten vieler Menschen unter gemeinschaftliche Gesetze 
und Oberleitung nennt man eine bürgerliche Gesellschaft oder 
einen Staat. Der Zweck des Staates ist also kein anderer, als die 
Beschützung der Rechte des Einzelnen. Um nun diesen Zweck zu 
erreichen, müßen sich die Theilnehmer zu gewissen Mitwirkungen 
und Opfern verpflichten, indem sie sich theils eine Beschränkung 
ihrer natürlichen Freiheit zum Vesten aller gefallen lassen, theils 
Leistungen für alle übernehmen. Die Festsetzung dieser Beschrän— 
kungen und Leistungen nennt man die Staatsverfassung oder die 
Gesetze, welche zugleich die Art und Weise angeben, durch welche 
der einzelne Staatsbürger zur Erfüllung seiner Pflichten gegen 
das Ganze angehalten werden soll. 
Über diese Gesetze zu wachen, und sie in jedem einzelnen Falle 
zum Schutze des Bedrängten und zur Verhinderung oder Bestra— 
fung des Bedrängers in Anwendung zu bringen, dazu bedarf der 
Staat Obrigkeiten, welche jedem Staatsbuürger sein Recht 
bewahren sollen. Die höchste Obrigkeit im Staate ist meistens in 
einer Person vereiniget, welcher alle anderen Obrigkeiten unter— 
geordnet sind und welche die Aufsicht über alle führt. Einen Staat 
dieser Art nennt man eine Monarchie, und es kamnin derselben die 
Alleinherrschaft in der Familie des Regenten erblich sein, oder es
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.