Bilder zur Kullur und Geschichte des deutschen Volkes.
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stumm und regungslos unter den Bäumen liegend, dem Gesang der
Vögel, und es ward ihm wohl und weh in seiner kindlichen Seele,
und sein junges Herz schwoll hoch auf, so daß er weinend zur Königin
lief, und fragte sie: „Was ist dir gethan?“ so wußte er Rede nicht
zu stehen, wie wir's auch noch bei Kindern finden. Die Mutter
spürte der Sache nach, bis sie den Knaben lauschend dem Sange
traf, der aus der Bäume Wipfel scholl; da will sie die Vögel, die
ihr Kind zu so tiefem Weh aufregen, töten lassen; der Sohn aber
erbittet für sie Frieden, und die Mutter küßt ihn und spricht: „Wie
konnt' ich das Gebot des höchsten Gottes auch so verkehren und
der Vöglein Freude stören?“ Da stutzt der Knabe und fragt: „Gott?
o, was ist Gott?“ Und die treue Mutter antwortete: „Er ist
lichter als der Tag, der einst Menschenantlitz anzunehmen sich nicht
schämte; ihn flehe an in jeder Not, denn er ist getreu. Aber es
giebt auch einen Ungetreuen, der heißt der Hölle Wirt; von dem kehre
stets die Gedanken ab, von ihm und auch von Zweifelswanken.“
Der junge Parzival wächst in Kraft heran und pflegt des Weid—
werks im nahen Walde, in dem er manchen Hirsch erlegt und unzer—
teilt nach Hause trägt. Einst, als er auf einsamer Berghalde pirscht,
bernimmt er den schmalen Pfad entlang Hufschläge. Ist das, denkt
er, etwa der Teufel? Die Mutter fürchtet sich vor ihm; ich dächte
ihn wohl zu bestehen. Aber es sind Ritter, von Kopf bis zu Fuß
glänzend gewaffnei, und jeder von ihnen deucht dem Knaben ein
Bott, drum warf er sich in dem Wege auf die Kniee und rief mit
lauter Stimme: „Hilf Gott, denn du bist Hilfe reich.“ Die Rilter
staunen über des Jünglings Unerfahrenheit, aber mehr noch über seine
Schönheit und seinen stattlichen Wuchs und lassen ihn Rüstung und
Waffen mit kindlicher Neugier befühlen und geben ihm auf seine Fragen
über Zweck der Panzer und Rüstungen, über Rittertum und Ritter—
sitte freundliche Antwort. Jetzt ist kein Halten mehr. Parzival muß
hinaus aus dem stillen Dunkel seines Waldes, hinaus aus den Armen
der zärtlichen Mutler, hinaus in die glänzende Ritterwelt zu freudigem
Kampfe und Siege. Und die Mutter, die des Sohnes Wanderlust
nicht besiegen läßt ihm ein Gewand anlegen, nicht eines Ritters,
sondern eines Lhoren, aus Sacktuch und Kälberfell genäht, damit er
der Welt zum Spott werde und bald zurückkehre. So ausgerüstet,
giebt sie ihm noch einige gute Lehren mit auf den Weg, unter andern
die, daß er, so oft ein Bach oder Fluß seinen Weg hemme, die
dunkeln Furten meiden und lieber den Fluß entlang ziehen solle,
bis er eine seichte Stelle finde; daß er niemanden seinen Gruß ver—
jagen solle, und wenn ein weiser Greis ihn Zucht lehren wolle, ihm
willig folge.
So reitet Parzival, das stille Heimatsgefühl und den dunkeln,
aber mächtigen Tried in die Ferne noch ungeschieden in sich tragend,
T fin Zustand, den die alte Sprache sehr bezeichnend durch das
einzige Wort „tumb“ ausdrückt, — so ziehi er dahin, um der Welt