Full text: Deutsches Lesebuch für Volks- und Bürgerschulen

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deshalb viel Thränen vergossen werden. Die Krähe aber sagte: 
Quark ok!“ es solle alles friedlich abgehen. 
Es ward nun beschlossen, sie wollten gleich an diesem schönen 
Morgen aufsteigen, damit niemand hinterher sagen könnte: „Ich 
ware wohl noch höher geflogen, aber der Abend kam, da konnte ich 
nicht mehr.“ Auf ein gegebenes Zeichen erhob sich also die ganze 
Schar in die Lufte. Der Staub stieg da von dem Felde auf, es 
war ein gewaltiges Sausen und Brausen und Fittichfchlagen, und 
es sah aus, als wenn eine schwarze Wolke dahin zöge. Die kleinern 
Vögel aber blieben bald zurück, konnten nicht weiter und fielen wieder 
auf die Erde. Die größern hieltenss länger aus; aber keiner konnte 
es dem Wler gleich hun, der stieg so hoch, daß er der Sonne hätte 
die Augen aushacken können. Und als er sah, daß die andern nicht 
zu ihm herauf konnten, so dachte er: „Waͤs willst du noch höher 
fliegen, du bist doch der König,“ und fing an, sich wieder herabzu⸗ 
lassen. Die Vögel unter ihm riefen ihm aͤlle gleich zu: „Du mußt 
Unset König sein; keiner ist höher geflogen als du.“ Ausgenommen 
ich!“ schrie der kleine Kerl ohne Namen, der sich in die Brustfedern 
des Adleis verkochen hattes Und da er nicht müde war, so stieg 
er auf und stieg hoch über den Adler hinweg. Dann legte er seine 
Flüͤgel zusammen, sank herab und rief unten mit feiner durchdringender 
Stimme: „König bün ik! König bün ik!“ 
Du unser König?“ schrien die Vögel zornig, „durch Ränke und 
Listen hast du es dahin gebracht!“ Sie machten eine andere Bedingung, 
der sollte ihr König sein, der am tiefsten in die Erde fallen koͤnnte 
Wie klatschte da die Gans mit ihrer breiten Brust nieder auf das 
dand! Wie scharrte der Hahn schnell ein Loch! Die Ente kam am 
schlimmsten weg, sie sprang in einen Graben, verrenkte sich aber die 
Beine und wäatschelte fort zum nahen Teiche mit dem Ausruf: 
„Pracherwerk! Pracherwerk!“ Der Kleine ohne Namen aber suchte ein 
Maufeloch schlůpfte hinab und rief mit seiner feinen Stimme heraus: 
„König bün ik! König bün ik!“ 
Du unser König?“ nefen die Vögel noch zorniger, meinst du, 
deine Aften sollten gelten?“ Sie beschlossen, ihn in seinem Loch ge⸗ 
fangen zu halten und auszuhungern. Die Eule ward als Wache 
davor gestellt; sie sollte den Schelm nicht heraus lassen, so lieb ihr 
das Leben ware. Albs es aber Äbend gewotden war, und die Vögel 
vbon der Anstrengung beim Fliegen große Müdigkeit empfanden, so 
gingen sie mit Weib und Kind zu Bett. Die Eule allein blieb 
hei dem Maͤuseloch stehen und blickte mit ihren großen Augen un— 
berwandt hinein. Indessen war sie auch müde geworden und dachte: 
„Ein Auge kannst du wohl zuthun, du wachst ja noch mit dem 
Andern, und der kleine Bofewicht soll nicht aus seinem Loch heraus. 
Also that sie das eine Auge zu und schaute mit dem andern steif 
auf das Maͤuseloch. Der lleine Kerl guckte mit dem Kopfe heraus 
Und wollle wegwilschen; aber die Eule trat gleich davor, und er zog 
den Kopf wieder zurck. Dann that die Eule das eine Auge wieder 
auf und das andere zu und wollte so die ganze Nacht abwechseln. 
Deutsches Lesebuch. Hauptstufe. 7. Ausl.
	        
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