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nicht mehr; und wenn du nicht hast, so habe den Trunk kalten Wassers
zur Hand und dünke dich darum nicht weniger. Hänge dich an keinen
Großen. — Sitze nicht, wo die Spötter sitzen, denn sie sind die elendesten
aller Kreaturen. Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte
und gehe ihnen nach. Eiu Mensch, der wahre Gottesfurcht im Hetzen hat,
ist wie die Sonne, die scheint und wärmet, wenn sie auch nicht redet.
Thu, was des Lohnes wert ist, und begehre keinen. Wenn du Not hast,
so klage sie Gott. Habe immer etwas Gutes im Sinn.
Wenn ich gestorben bin, so drücke mir die Augen zu und beweine mich
nicht. Stehe deiner Mutter bei und ehre sie, so lange sie lebt, und be—
grabe sie neben mir. Und sinne täglich nach über Tod und Leben, ob du
es finden möchtest, und habe einen freudigen Mut; und gehe nicht aus
der Welt, ohne deine Liebe und Ehrfurcht für deinen Heiland Jesum
Christum durch etwas bezeugt zu haben. Dein treuer Vater
Matthias Claudius.
95. Die alte Waschfrau.
Du siehst geschäftig bei dem Linnen Sie hat gespart und hat gesonnen
die Alte dort in weißem Haar, und Flachs gekauft und nachts gewacht,
die rüstigste der Wäscherinnen, den Flachs zu feinem Garn gesponnen,
im sechsundsiebenzigsten Jahr. das Garn dem Weber hingebracht;
So hat sie stets mit saurem Schweiß der hat's gewebt zu Leinewand,
ihr Brot in Ehr' und Zucht gegessen die Schere brauchte sie, die Nadel,
und ausgefüllt mit treuem Fleiß und nähte sich mit eigner Hand
den Kreis, den Gott ihr zugemessen. ihr Sterbehemde sonder Tadel.
Sie hat in ihren jungen Tagen Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie
geliebt, gehofft und sich vermählt; schätzt es,
sie hat des Weibes Los getragen, verwahrt's im Schrein ain Ehrenplaß
die Sorgen haben nicht gefehlt; es ist ihr erstes und ihr letzteßs
sie hat den kranken Mann gepflegt; ihr Kleinod, ihr ersparler Schatz
sie hat drei Kinder ihm geboren; Sie legt es an, des Herren Woͤrt
sie hat ihn in das Grab gelegt — am Sonntag früh sich einzuprägen.
und Glaub' und Hoffnung nicht ver⸗ Dann legt sieis wohlgefällig fort,
loren. bis sie darin zur Ruh sie legen.
Da galt's, die Kinder zu ernähren; Und ich an meinem Abend wollte,
sie griff es an mit heilern Mut, ich hätte diesem Weibe gleich
sie zog sie auf in Zucht und Ehren; erfüllt, was ich erfüllen sollte
der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut. in meinen Grenzen und Bereich
Zu suchen ihren Unterhalt, ich wollt, ich hätte so gewußt,
entließ sie segnend ihre Lieben: am Kelch des Lebens mich zu laben,
so stand sie nun allein und alt, — und könnt' am Ende gleiche Lust
ihr war ihr heitrer Mut geblieben. an meinem Sterbehemde haben.
Adalbert v. Chamisso
96. Lied eines Armen.
Ich bin so gar ein armer Mann und gehe ganz allein
Ich möchte wohl nur einmal noch recht frohen Mutes sein