Full text: [Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 7 [= 3. Jahrgangsstufe], [Schülerband])

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Schon um Mittag ziehen sich die Schwäne von allen noch offenen 
Stellen der Havel und aus den Kanälen der Stadt in der Nähe der 
Eisenbahnbrücke zusammen. Unruhig, ziehen sie nicht einzeln, sondern 
zu Hunderten neben- und hintereinander, am Ufer hin und her, die 
alten und erfahreneren aber unter dem letzten Bogen der Eisenbahn— 
brücke hindurch, auf eine Stelle zu, von wo sie mit hochaufgerecktem 
Halse über die Uferbrüstung hinweg den langen Wallweg hinuntersehen 
können, auf dem der Schwanenmeister mit seinem Kornkarren heran— 
fahren muß. Sie kennen ihn auch schon in weitester Entfernung, und 
kaum taucht seine Mütze zwischen den Bäumen auf, so fährt eine ganz 
besondere Unruhe in das zahlreiche Rudel. In höchster Anstrengung 
rudern sie sofort unter der Eisenbahnbrücke hindurch, nach dem Futter⸗ 
platze, und wenn sie ihn dort noch nicht angekommen sehen, wieder 
zuruͤck zu der Stelle, wo sie seine Annäherung beobachten können. Diese 
unruhige Wanderung wiederholt sich so lange, bis der Schwanenmeister 
mit Karre und Gerstensack an der Brücke angekommen ist. 
Nun entsteht ein wahrer Tumult unter den Tieren. Alles stürzt 
übereinander und nebeneinander hin und reckt die Hälse, um nur ja 
keine Bewegung ihres Hüters zu übersehen und den ersten Schaufel⸗ 
wurf nicht zu versäumen. Noch ist es indessen nicht so weit. Der 
Schwanenmeister geht erst auf die Brücke, um in langgezogenen Tönen 
sein „Hans! Hans!“ zu rufen, auf welchen Ruf die etwa noch Ver⸗ 
späteten von allen Seiten herbeischwimmen. Solange dies Rufen dauert, 
halten sich die Schwäne in der Nähe der Brücke. Hört es aber auf 
und wendet der Rufende sich zu dem eigentlichen Fütterungsplatze, so 
rauscht das ganze Schwanenheer in einer großen, blendend weißen 
Masse, drängend wie ein Keil und gewaltsam wie die Räder eines 
Dampfschiffs, im Wasser neben dem am Ufer gehenden Schwanenmeister 
her. Während der Sack aufgebunden wird, schroten sich einige der 
Gierigsten über die Eisschollen und Ränder am Ufer auf das feste 
Land, watscheln unbehilflich zum Karren, um womöglich die ersten zu 
sein, die etwas erhalten. Ihre Berechnung wird aber jedesmal ge— 
täufcht, denn wenn recht viele aus dem Wasser heraus und andere im 
Begriff sind, ihnen zu folgen, wird der Gerstenkarren rasch auf die ent— 
ferntesie Stelle des Futterplatzes geschoben. Kaum sehen die ans Land 
gekommenen Schwäne, daß ihnen ihre Eile nichts hilft, so stürzen sie 
fich so rasch wie möglich in das Wasser zurück; aber es hält schwer, in 
der dichtgedrängten Masse der schwimmenden Schwäne ein Fleckchen zu 
finden, wo sie noch Platz hätten. Mit einer unglaublichen Gewaltsam— 
keit drängen die hintersten gegen das Ufer. Nun erfolgt der erste 
Wurf wein ins Wasser hinein, und wo die Gerste das Wasser berühren 
kann, verschwinden im Nu alle Hälse, und man sieht plötzlich Hunderte 
von Zuckerhüten auf dem Wasser schwimmen. Unmittelbar am Ufer
	        
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