Full text: Lesebuch für die Mittelstufe

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hundert Lichten geschmückt wurden.“ „Und dann,“ fragte der Tannen— 
baum und bebte an allen Zweigen, „und dann, was geschieht dann?“ 
„Ja, mehr haben wir nicht gesehen.“ 
Abss es wieder Weihnachten war, wurde der Tannenbaum von 
allen Bäumen zuerst gefällt. Die Art schlug ihm tief ins Mark, und 
er fiel mit einem Seufzer auf die Erde. Er fühlte einen heftigen 
Schmerz und war sehr betrübt, daß er nun von der Heimat getrennt 
wurde, von dem Platz, wo er aufgewachsen war. Er dachte ferner 
daran, daß er nie die lieben alten Kameraden, die kleinen Büsche und 
Blumen rund umher, ja vielleicht nicht einmal die Vögel wiedersehen 
würde. Die Abreise war durchaus nicht angenehm. 
Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im Hofe mit 
den andern Bäumen abgeladen wurde und einen Mann sagen hörte: 
„Dieser hier ist prächtig; den wollen wir behalten.“ 
Nun kamen zwei Diener in vollem Staat und trugen den Tannen— 
baum in einen großen, herrlichen Saal. Hier wurde er in eine große 
Tonne, die mit Sand angefüllt war, gestellt. Aber keiner konnte 
sehen, daß es eine Tonne war; denn sie wurde rund herum mit grünem 
Tuch behängt und stand auf einem großen, bunten Teppich. O wie 
der Baum zitterte! Was sollte geschehen? Sowohl die Diener wie 
die Fräulein putzten ihn. An seine Zweige hingen sie kleine Netze, 
aus farbigem Papier ausgeschnitten; jedes Netz war mit Zuckerwerk 
gefüllt. Vergoldete Äpfel und Wallnüsse hingen herab, als ob sie 
festgewachsen wären, und viele rote, blaue und weiße Lichte wurden 
an die Zweige gesteckt. Puppen, die wie leibhaftige Menschen aus— 
sahen, schwebten im Grünen, und ganz oben im Gipfel wurde ein 
großer, goldglänzender Stern befestigt. Es war prächtig, ganz unver— 
gleichlich prächtig. „Heute abend soll er strahlen,“ sagten alle. 
„O,“ dachte der Baum, „wär's doch Abend! Würden nur die 
Lichte bald angezündet! Und was mag dann geschehen? Ob wohl 
Bäume aus dem Walde kommen, mich zu sehen? Ob wohl die Sper— 
linge gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier wohl festwachsen 
und Winter und Sommer über geschmückt stehen soll?“ 
Vor lauter Sehnsucht hatte er ordentlich Schmerz in der Rinde, 
und dieser Schmerz ist für einen Baum ebenso schlimm wie Kopfweh 
für uns Menschen. Nun wurden die Lichte angezündet. Welcher 
Glanz! Welche Pracht! Der Baum zitterte in allen Zweigen, so daß 
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