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vierzehn Tage mitgefeiert und war mit vielen Preisfahnen und
Gewinnen, voll des Lobes über die Gastfreundschaft der Straßburger
Und über die Herrlichkeit der genossenen Festfreuden, in ihre
Vaterstadt zurückgekehrt. Da wandelte auch andere Züricher Bürger
die Lust an, dem Schießen beizuwohnen. Einer unter ihnen, Herr
Hans im Wöhrd, machte einen trefflichen Vorschlag. „Liebe
andsleute und Mitbürger!“ sprach er, „weil die Stadt Straßburg
immer so freundlich gegen die Unseren verfahren, so wollen wir
ihr auch unsere Gesinnung kundtun. Als vor einhundertundzwanzig
Jahren die beiden Städte zusammen ein Bündnis abgeschlossen,
da machten unsere Altvordern an einem Tage zu Wasser auf
Limmat, Aar und Rhein die Fahrt bis Straßburg und brachten
einen Topf mit Hirsebrei, den sie von Zürich mitnahmen, noch
dampfend nach Straßburg, zum Zeichen, daß sie wie im Scherz,
so auch zu ernster Hülfe schnell herbeiziehen könnten. Dieses
Bündnis hat sich in guten und bösen Tagen wohl bewährt. So laßt
uns jetzt das Beispiel unserer Altvordern nachahmen und den
Bidermännern in Straßburg zeigen, daß die Entfernung uns nicht
hindert, gute Freunde und Bundesgenossen zu bleiben!“ —
Die Rede gefiel den anderen, und alsbald beschlossen dreiund⸗
fünfzig Züricher Bürger unter Anführung ihres Obmannes, des
Stadtbauherrn Kaspar Thomann, und anderer Herren vom Rate,
von neuein eine Hirsebreifahrt zu rüsten.
Heutzutage, wo uns der Dampf im Fluge von einem Orte zum
andern führt, vergißt man leicht, was vor dreihundert Jahren eine
Reise auf dem schwer schiffbaren oberen Rhein in so kurzer Zeit zu
bedeuten hatte; brauchte man doch für gewöhnlich bei aller Anstrengung
volle drei Tage dazu. Damals galt fie allgemein als ein Wagstück,
d man wellete mehr dagegen als dafür, daß es den Zürichern
gelingen würde. Ein damals in Straßburg lebender Dichter, namens
Johann Fischart, hat das Andenken an diese Fahrt der Züricher
Bürger durch eine treffliche Dichtung frisch und lebendig für die
Nachwelt bewahrt. Sein Werk führt den Titel: „Das glückhafte
Schiff von Zürich, artliche Beschreibung der ungewohnten und
doch glückfertigen Schiffahrt etlicher vürger von Zürich, auf
das vielberühmte Hauptschießen gen Straßburg getan.“ Dieses
Ehrengedicht für die Züricher ist zugleich für unser ganzes deutsches
Volk geschrieben, weil es uns zeigt, was wackere Männer durch
Willenskraft und rüstiges Streben nach einem bewußten Ziele sowie
einmütiges Zusammenwirken zu leisten vermögen. Wie ein roter
Faden geht durch die ganze Dichtung der Gedanke: