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„Heut morgen war der grimmigste Kampf,
Es galt das Letzte zu wagen.
Die Luft war erfülit mit Pulverdampf,
Ihr Sohn hat die Fahne getragen.
Er trug sie im dichtesten Kugelsprühn
Als mutigster unter den Helden.
Ihm ward das eiserne Kreuz verliehn,
Voll Freude kann ich es melden
Der Vater liest es.
„Der Tag ging zu Neige, der Abend kam,
Es wurde zum Sturm geblasen.
Und als der Kampf sein Ende nahm,
Da deckten viel Tote den Rasen,
Der Feind war nach allen Seiten geflohn.
Der Tapferste wieder von allen,
Das war der Fahnenträger, Ihr Sohn.
Er ist als Held gefallen Heinrich Bredow.
5 —
129. Auf stiller Wacht.
Auf stiller Wacht im Feindeslande
Steht spät zur Nacht ein Grenadier —
Fern von der Beimat grünen Bergen,
In Rußlands ödem Feldrevier.
Herbsteinsam träumt die graue Weite,
Die spähend rings sein Blick durchschweift.
Nichts regt sich, als der Westwind leise,
Der müd' die welken Büsche streift.
Nur ab und zu ein Mondesschimmer
Fließt in das Dunkel um ihn her;
Doch ungeseh'n, in sichrem Schatten,
Steht er, geschultert das Gewehr.
Hoch über ihm wie Berglandswälder
Wogt Wolkenflut vom Bimmelsrand.
Er schaut's, — und wie ein himmlisch Grüßen
Ist's ihm aus deutschem Jugendland.
Fern von der Heimat grünen Höhen,
In Rußlands ödem Feldrevier,
Steht spät zur Nacht in sel'gen Träumen
Auf treuer Wacht ein Grenadier
Wilhelm Müller⸗Rüdersdorf.