Full text: Deutsche Geschichte von der Thronbesteigung Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

254 Achter Zeitraum. Bis zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches. 
wurde in Hubertusburg der Friedensvertrag abgeschlossen. Friedrich 
behielt Schlesien in dem früher festgestellten Umfange. 
Nach dem Abschlüsse des Friedens besuchte der König zuerst noch die ge° 
liebte, in furchtbarem Kampfe behauptete Provinz und kehrte dann nach Berlin 
zurück, das er seit sieben Jahren nicht mehr betreten hatte. Er war in auf- 
fallender Weise gealtert, sein Haar war vor der Zeit gebleicht, seine Haltung 
gebückt. Lauter Jubel empfing den Sieger, als er am Abend des 30. März im 
Reisewagen durch die Straßen der Hauptstadt nach dem Schlosse fuhr. 
c) Bedeutung und Folgen des Siebenjährigen Krieges für Preußen 
und Deutschland. Zunächst sicherte Preußen die in den beiden ersten 
Schleichen Kriegen erkämpfte Stellung als europäische Großmacht. 
Sodann trat es dem österreichischen Staate ebenbürtig an die Seite und 
konnte fortan den gleichen Anspruch wie dieser auf die Führ er stelle 
in Deutschland erheben. Endlich weckte der Krieg das fast erstorbene 
Nationalbewußtsein. In Friedrich sah nicht nur das preußische 
Volk, sondern auch ein großer Teil des nichtpreußischen Deutschlands mit 
Stolz einen nationalen Helden1, der die Ausländer kraftvoll ab- 
wehrte und dem deutschen Namen in der ganzen Welt Achtung verschaffte. 
Daher nahm auch die deutsche Dichtung jetzt einen höheren Flug2. 
Als eine Frucht des Siebenjährigen Krieges erschien bald nach dessen Be- 
endigung Lessings „Minna von Barnhelm", das erste nationale Bühnen- 
stück von echt deutschem Gehalte. 
4. Die Erwerbung Ostfrieslands und Westpreußens. Die erste 
Teilung Polens. Als in Ostfriesland das einheimische Fürstenhaus 
erlosch, nahm der König, gestützt auf eine vom Kaiser bestätigte Anwart- 
schaft seines Hauses, Besitz von dem fruchtbaren Ländchen und faßte damit 
Fuß an der Nordsee (1744). Das neue Gebiet mit den Städten Emden 
und Aurich maß ungefähr 3000 qkm mit 100000 Einwohnern. 
Westpreußen, ber Kern des alten Ordenslandes, hatte seit dem Jahre 
1466 zum polnischen Reiche gehört. Dieser Staat besaß Jahrhunderte 
hindurch die Ausdehnung einer europäischen Großmacht. Er erstreckte sich von 
lichen Provinzen (Geldern, Kleve usw.) waren von den Franzosen bis auf den 
letzten Blutstropfen ausgesogen worden. Ganze Landstriche boten einen Anblick 
dar wie nach dem Dreißigjährigen Kriege. 
1 Goethe, der als Knabe in feiner Heimat, der deutschen Reichsstadt Frank- 
furt, den Krieg erlebte (©. 251), schrieb später von sich selbst: „Und so war ich 
denn auch preußisch, oder um richtiger zu reden, Fritzisch gesinnt; denn was 
ging uns Preußen an! es war die Persönlichkeit des großen Königs, die auf alle 
Gemüter wirkte." 
2 „Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich 
den Großen und die Taten des Siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie." Goethe.
	        
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