Curtius: Die olympischen Spiele. 267
Auf einer aufgemauerten Terrasse standen hier in einer Reihe die Schatzhäuser
zur Aufbewahrung der Weihgeschenke, deren letztes an das Stadium grenzte.
Dieses lehnte sich mit dem oberen Ende an die waldigen Thalbuchten an, war
aber zum größeren Teile künstlich aufgeschüttet; am südlichen Ende stieß es
mit dem Hippodrom im rechten Winkel zusammen. Letzterer bestand aus zwei
Teilen, der breit geebneten Rennbahn und der klünstlichen Anlage der Wagen—
stände. An der nordwestlichen Seite lag außerhalb der Altismauer, einer freien
Wald- und Flußlandschaft benachbart, das Gymnasium Olympias mit Wohnungen
für die Athleten, mit sonnigen Ringplätzen und schattigen Säulengängen umher.
Auf dem von Pinien beschaätteten Gipfel des Kronoshügels sah man zu seinen
Füßen den ganzen von den herrlichsten Bildungen erfüllten Tempelhof, ein
Labyrinth von Kunstwerken. Die dicht gedrängte Masse von Gebäuden, Altären,
Statuengruppen, von Viergespannen und Standbildern der Sieger, von Götter—
bildern, Dreifüßen und Weihgeschenken aller Art wurde durch die Bäume zu
einem landschaftlichen Ganzen verbunden.
Die gewöhnliche Einwohnerschaft Olympias bestand aus den in der Altis
waltenden Priestern aus erlauchten peloponnesischen Geschlechtern; ihnen standen
Opferschlächter, Flötenbläser, Holzverwalter und andere Diener zur Seite.
Olympia blieb ein ländlich stiller Ort, und die Waldeinsamkeit des Alpheios—
thales wurde nur durch die Schritte der Wanderer unterbrochen, die des Weges
zogen und am Zeusaltare ihr Gebet sprachen. Aber wie veränderte sich alles,
wenn das vierte Jahr, das Jahr der großen Olympien, herankam und wenn
die heiligen Gesandten, „des Zeus, des Kroniden, Friedensboten, der Jahres—
zeiten Herolde,“ von den Pforten der Altis auszogen und allen Hellenen die
ersehnte Kunde brachten: „Das Fest des Zeus ist wiederum nahe, aller Streit
soll ruhen, jeder Waffenlärm schweige! Frei mögen auf allen Land- und Wasser—
straßen die Pilger heranziehen zu der gastlichen Schwelle des Zeus!“ Alle
Hellenen wurden eingeladen uͤnd ausgeschlossen nur die Schuldbeladenen, oder die
dem olympischen Zeus Ehrfurcht versagt oder die sich an der gemeinsamen Sache
der Hellenen verfündigt hatten, wie einst auf des Themistoklles Antrag der
Syrakusaner Hieron ausgeschlossen wurde, weil er von dem Kampfe gegen Zerrxes
zurückgeblieben war. Die eingeladenen Städte schickten ihre angesehensten Männer
als Gesandtschaften nach Olympia, die auf stattlichen Wagen, in Prachtgewänder
gekleidet, mit zahlreichein Gefolge zum Zeusfeste wallfahrteten und im Namen
hrer Städte herrliche Opfer darbrächten. Die Städte der Kolonieen benutzten
dieses Fest, um sich mit dem Mutterlande in lebendigem Zusammenhange zu
erhalten. Ihre Bürger eilten in den von Stürmen selten beunruhigten Sommer—
monaten herbei, und das jonische Meer so wie die breite Alpheiosmündung füllte
sich mit den bekränzten Festschiffen der auf den Küsten von Asien und Afrika,
bon Italien, Sicilien und Gallien wohnenden Hellenen. Bewundernd musterte
das am Gestade versammelte Volk die auf fernen Weiden gezogenen Rosse und
Maultiere, welche durch fremdländische, dunkelfarbige Sklaben auf den Boden
bon Els geführt worden. Die Kampflustigen unter den versammelten Hellenen
mußten sich bei den Kampfrichtern melden; sie wurden in Hinsicht ihres
Ursprunges, ihres Rufes, ihrer körperlichen Tüchtigkeit geprüft; sie mußten nach⸗
weifen, daß sie zehn Monate lang in einem hellenischen Gymnasium die Reihe
hergebrachler Übungen gewissenhaft vollendet hatten, und wurden dann mit den
Kämpfern gleicher Gattung und Altersstufen zusammengeordnet. Zum Schlusse
mußten sie vor einer Bildsäule des schwurhütenden Zeus, der in jeder Hand den
Blitzstrahl führte, einen Eid darauf leisten, daß sie im heiligen Wettkampfe sich
feine Untedlichkeit und keinen Frevel zu Schulden kommen lassen wollten. Die