230
So tragt den Sänger mit Entzücken
Das menschenliebend sinn'ge Thier.
Er schwebt auf dem gewölbten Rücken,
Halt im Triumph der Leier Zier,
Und kleine Wellen springen,
Wie nach der Saiten Klingen,
Rings in dem bläulichen Revier.
Wo der Delphin sich sein entladen,
Der ihn gerettet uferwarts,
Da wird dereinst an Felsgestaden
Das Wunder aufgestellt in Erz.
Jetzt, da sich jedes trennte
Zu seinem Elemente,
Grüßt ihn Arions volles Herz:
„Leb' wohl, und könnt' ich dich belohnen.
Du treuer, freundlicher Delphin!
Du kannst nur hier, ich dort nur wohnen:
Gemeinschaft ist uns nicht verliehn.
Dich wird auf feuchten Spiegeln
Noch Galatea zügeln;
Du wirst sie stolz und heilig ziehn." —
Arion eilt nun leicht von hinnen.
Wie einst er in die Fremde fuhr;
Schon glanzen ihm Korinthus Zinnen,
Er wandelt sinnend durch die Flur.
Mit Lieb' und Lust geboren,
Vergißt er, was verloren,
Bleibt ihm der Freund, die Cither nur.
Er tritt hinein: „Vom Wanderleben
Nun ruh' ich, Freund, an deiner Brust.
Die Kunst, die mir ein Gott gegeben.
Sie wurde vieler Tausend Lust.
Zwar falsche Räuber haben
Die wohlerworbnen Gaben;
Doch bin ich mir des Ruhms bewußt."
Dann spricht er von den Wunderdingen,
Daß Periander staunend horcht.
„Soll jenen solch ein Raub gelingen?
Ich hatt' umsonst die Macht geborgt?
Die Thäter zu entdecken,
Mußt du dich hier verstecken,
So nah'n sie wohl sich, unbesorgt." —
Und als im Hafen Schiffer kommen,
Bescheidet er sie zu sich her.
„Habt vom Arion ihr vernommen?
Mich kümmert seine Wiederkehr." —
„Wir ließen recht im Glücke
Ihn zu Tarent zurücke." —
Da, siehe, tritt Arion her.
Gehüllt sind seine schönen Glieder
In Gold und Purpur wunderbar;
Bis auf die Sohlen wallt hernieder
Ein leichter, faltiger Talar;
Die Arme zieren Spangen,
Um Hals und Stirn und Wangen
Fliegt duftend das bekränzte Haar.
Die Cither ruht in seiner Linken,
Die Rechte hält das Elfenbein.
Sie müssen ihm zu Füßen sinken.
Es trifft sie, wie des Blitzes Schein.
„Ihn wollten wir ermorden;
Er ist zum Gotte worden: —
O schlang' uns nur die Erd' hinein!" —
„Er lebet noch, der Töne Meister;
Der Sänger steht in heil'ger Hut.
Ich rufe nicht der Rache Geister;
Arion will nicht euer Blut.
Fern mögt ihr zu Barbaren,
Des Geizes Knechte, fahren;
Nie labe Schönes euren Muth!"
A. W. Schlegel.
41. Die Kraniche des Jbykus.
Zum Kampf der Wagen und Gesänge,
Der auf Korinthus Landesenge
Der Griechen Stämme froh vereint,
Zog Jbykus, der Götterfreund.
Ihm schenkte des Gesanges Gabe,
Der Lieder süßen Mund Apoll;
So wandert er, am leichten Stabe,
Aus Rhegium, des Gottes voll.
Schon winkt auf hohem Bergesrücken
Akrokorinth des Wand'rers Blicken,
Und in Poseidons Fichtenhain
Tritt er mit frommem Schauder ein.
Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme
Von Kranichen begleiten ihn,
Die fernhin nach des Südens Wärme
In graulichtem Geschwader ziehn.
„Seid mir gegrüßt, befreund'te Schaaren!
Die mir zur See Begleiter waren,
Zum guten Zeichen nehm' ich euch,
Mein Loos, es ist dem euren gleich.
Von fernher kominen wir gezogen
Und flehen um ein wirthlich Dach.
Sei uns der Gastliche gewogen.
Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!"