1. Teil:
Die alte Kulturwelt.
„Aus dem Osten kommt das Licht.“
A. Was wir dem Orient verdanken.
1. Natürliche Gegebenheiten für die Entwicklung eines Kulturstaates. Sowohl
im Tiefland des Nil als auch in jenem des Euphrat und Tigris bestanden schon im
vierten vorchristlichen Jahrtausend Kulturstaaten von staunenswert hoher Entwicklung:
Äg y p te n und Bab y l o n i e n. Beide hatten eine zur ruhigen Entwickelung überaus
glückliche Lage. Das Nilland, eingebettet zwischen der arabischen und lybischen Wüssten-
platte, but ebenso wie Mesopotamien, das von der syrisch-arabischen Wüste und dem
iranischen Randgebirge umschlossen ist, Schutz vor feindlichen Einfällen. Beide Länder –
an und für sich nahezu regenlose Gebiete ~ danken ihre große Fruchtbarkeit, die Voraus-
seßung für die Ernährung eines großen Volkes, den regelmäßigen Überschwemmungen
ihrer Ströme. Diese natürlichen Gegebenheiten (Schutz vor Feinden, ergiebiger Nähr-
boden) waren die Grundlagen für die Schaffung jener hohen Kulturstufe, die bis auf
unsere Tage nachwirkt.
2. Wissenschaftliche und industrielle Errungenschaften. Die hamitischen Äg y p t e r
verstanden als erste die Glasbereitung, Biererzeugung, Weberei, Tischlerei, Töpferei,
Metall- und Steinbearbeitung und die Ziegelerzeugung. Aber auch die Wissenschaft
dankt ihnen viel; zunächst die Astronomie !), Geometrie ?), Arzneikunde und Anatomie ?).
Kein Wunder, daß sich bei solchem geistigen Hochstand eine Buchstabenschrift entwickelte.
Auch das semitische Volk der B a b y lo n i e r ersann Dinge, die noch heute unter uns
lebendig sind. Jhre Religion, ein Sternendienst, führte sie zur genauen Beobachtung
des Firmamentes. [Größe der Sonnenbahn, Benennung der Sternbilder des Tier-
kreises, Berechnung und Erklärung der Sonnen- und Mondesfinsternis; Zeiteinteilung;
Benennung der Wochentage nach den Gestirnen 1) (Sonne, Mond, Mars, Merkur,
1) Sonnenjahr. ?) Nilüberschwemmung. ?) Einbalsamieren! !) Diesen Brauch nahmen alle
Sprachen auf. Am besten erkennt man die alten Sternnamen noch im Französischen: lundi (dies
lunae), mardi (d. Martis), mercredi (d. Mercurii), jeudi (d. Jovis), vendredi (d. Veneris),
samedi (d. Saturni). Wir haben die babylonische Benennung bloß im Sonn- und Montag
erhalten. Jm Dienstag, d. i. der dem Kriegsgotte Ziu geweihte Tag, steckt noch die Erinnerung
an Mars, im Freitag (Freya) die an Venus; der Mittwoch hieß bei den Germanen Wodanstag
(Wodan für Merkur) englisch noch jeßt Wednesday; der Donnerstag ist Donar (für Jupiter
geseßt) geweiht. Der Samstag heißt im Englischen noch heute Saturday (Saturntag).