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und des Tiberius Hinterlist. ÄugustuS war ganz un.
tröstlich bei dem Tode seiner Enkel; und seine Tochter
Julia blieb ihm noch als die Einzige, an deren Anblick
und Worten er sich erheitern konnte. Auch dies konnte
die Grausame nicht ertragen. Julia ward angeklagt,
ausschweifend zu leben; und der unglückliche Vater mu߬
te, da sie durch Zeugen überführt war, die Letzte, die
sein Herz noch liebte, von sich verstoßen, und aus Rom
verbannen. So mußte denn endlich der gebeugte 70
jährige Greis den Tiberius zum Nachfolger annehmen»
— Einige Jahre nachher wollte Tiberius zu einem Krie¬
ge ausziehen. Der Vater begleitete ihn bis in eine Ge¬
gend, die ihrer gesunden Luft wegen berühmt war. Er
ward unterweges sehr heiter, und wohnte auch zu Nea¬
pel den Schauspielen bei, die man seinen Geburtstag
zu feiern gab. Hier war er in der Nahe einer Insel,
auf welcher der jüngste Sohn seiner geliebten Tochter Ju¬
lia als unschuldig Verbannter lebte. Seine Liebe zudem
Jünglinge erwachte; doch wagte der schwache Greis es
nicht, der Livia seinen Wunsch merken zu lassen. Heim¬
lich schifte er hinüber, und Großvater und Enkel sahen
sich wieder. Doch die grausame Gemalin des Augustus
erfuhr es; sie fürchtete von dieser Zusammenkunft alles
Böse für sich und ihren Liebling. Plötzlich, hieß es,
Augustus sei krank; keiner ward zu ihm gelassen, nur
Livia war bei ihm, und ließ schnell ihren theueren Tibe-^
rius rufen. Jetzt ward bekannt gemacht, Augustus sei Ckristi
todt; und Tiberius ward als Kaiser anerkannt. Geburt-
Schaudervoll beginnt die römische Kaisergeschichte!
und schaudervoll ist ihr Fortgang! — Ach! nie war je¬
nes Spüchwort wahrer: Wie der Stamm so die Frucht!
Tiberius übertraf seine Mutter fast noch an Graueltha-
tcn, und seine Nachfolger waren, wenn auch nicht so
boshafte, doch nicht minder verdorbene und grausame
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