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rasche Verfall des Lehens- oder Feudalsystems herbeigeführt wurde. Damit stand im
Zusammenhange, dass der Heerbann fast ganz außer Anwendung kam und das
Söldnerwesen (Miethtruppen) und Stadtmilizen an seine Stelle traten. Seit dem
I4., und noch mchr seit dem 15. Jahrhunderte machte sich auf den meisten Gebieten
des Kriegswesens ein Aufschwung bemerkbar, dessen Ursache nicht ausschließlich in der
Verbreitung der Feuerwaffen gesucht werden darf. Der Krieg wurde allmählich wieder das,
was er schon bei den hervorragendsten Culturvölkern des Alterthums gewesen,
nämlich eine Kunst, welche an jeden, der darin Meisterschaft anstrebt, die höchsten
Anforderungen, jedoch nicht allein in Hinsicht physischer Kraft, stellt. Wichtig für das
abermalige Aufblühen einer eigentlichen Kriegskunst waren die Condottiéri, nämlich
Söldnerbanden, die durch die endlosen Fehden der italienischen Staaten und Städte
in das Leben gerufen, aber auch außerhalb ihrer Heimat gesucht und theuer bezahlt
wurden. Nicht der erste, jedo<h der bedeutendste Begründer solcher Söldnerscharen
war Albérico da Barbiäno (+ 1409), welcher im Anfange des 15. Jahrhunderts
Miethtruppen errichtete, unter welchen Fußvolk, Reiterei und auch einige Artillerie
vertreten waren. Aus seinen Banden giengen später die miteinander rivalisierenden
Condottierenschulen der Bracceschi (spr. Brattschéski) und der Sforzeschi (spr. Sforzéski)
hervor. Beide Schulen benannten sich nach ihren vorzüglichsten Führern; erstere nach
Braccio da Montöne (spr. Brättscho), lestere nach Atténdolo Sförza.
Die Befehlshaber dieser italienischen Söldnerheere suchten durch wohlbedachte Be-
wegungen (Umgehungen) den Gegner seiner Zufuhren und Verbindungen zu berauben,
und, wenn ein Treffen durchaus unvermeidlich geworden war, ihm in cinem möglichst
unblutigen Gefechte viele Gefangene, besonders solche, die ein beträchtliches Lösegeld
zu zahlen vermochten, abzunehmen. ~ Von den wichtigsten Folgen für die Ent-
wicklung des Kriegswesens wurde die in diesem Zeitraume zuerst vorkommende
Errichtung stehender Heere. Sultan Urchan ($ 81) schuf (1329) das Corps der 1329.
Janitscharen, welchem später (1360) Murad I. eine definitive Organisation und 1360.
mehrere Privilegien zutheil werden ließ. Noch wichtiger waren die von Karl VU.
(§ 73) im Jahre 1445 errichteten, ständig bezahlten, adeligen Ordonnanz-Compagnien 1445.
Reiterei), deren Führung erprobten Edelleuten übertragen wurde. Jede dieser (zulegt 15)
Ordonnanz -Compagnien bestand aus 100 „Lanzen“ und jede der letzteren aus
6 Reisigen. Auch eine aus Fußvolk bestehende Miliz ward von Karl VII. errichtet,
indem er jedes der 16.000 Kirchspiele (Pfarreien) Frantreichs verpflichtete, einen
Bogenschützen auszurüsten und im Falle eines Krieges dem Könige zur Verfügung
zu stellen. Diese sogenannten „freien Bogenschützen“ bewährten sich aber nicht und
wurden schon von Lu d wig Al., der dafür Schweizer in ständigen Sold nahm,
aufgelöst. Eine ebenfalls nur durch kurze Zeit andauernde Institution waren die
(1462) von Matthias Corvinus ($ 60) errichteten „schwarzen Banden“. Nach
der vielverbreiteten Erzählung begründete dieser hervorragende ungarische Herrscher
auch die berühmte nationale Reiterei der Husaren, jedoch keinesfalls als permanent
unter den Waffen verbleibende Truppe. ~ Die Hussitenkriege (§ 50) zeigen sich
verhältnismäßig reich an neuen und charatteristischen Erscheinungen. Die Feld-
artillerie erlangte während dieser Kämpfe eine weit größere Wichtigteit als in den
Gefechten früherer Heit und provisorische Befestigungen (Tabor) wurden häufig
angelegt. Außerdem bildete die Wagenburg ein oft und mit Glück angewendetes
Vertheidiqungs- und auch Verfolgungsmittel. Die Husiten fuhren mit ihren zahl-
1448.