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hervorringelte, entdeckten die Wächter das Vorhaben. Enzio wurde nun noch strenger
bewacht und starb, vier Jahre nach der misslungenen Flucht, in der Gefangenschaft. 1278.
§ 16.
Das JInterregnum in Deutschland 1256 ~1273.
Nach dem Tode Wilhelm's von Holland (§8 17) wählte ein Theil der deutschen
Fürsten den Richard von Cornwallis (spr. Koärnuoallis), den Bruder des
Königs Heinrich IIl. von England, ein anderer Alf ons X. den Weisen von
Castilien, zum römischen Könige. Das deutsche Reich hatte zwei Herrscher, von denen
sich aber keiner um Deutschlands Zustände kümmerte. Richard kam nur auf kurze
Zeit in die Rheingegenden, Alfons X. betrat aber deutschen Boden niemals, weshalb
man diese Epoche die kaiserlose Zeit (Zwischenreich) zu nennen pflegt. Mit dem
deutschen Königthume gieng auch die Machtstellung des Reiches für immer zugrunde.
Die kräftigsten Herrscher in späterer Zeit vermochten es nicht mehr, Deutschland, auch
nur annähernd, zu jener Bedeutung zu erheben, die es unter sächsischen, salischen und
hohenstaufischen Herrschern besessen hatte. Die Rechte und Gewalten der Krone
existierten nicht mehr, weshalb die Reichsfürsten, weltliche sowohl als geistliche, sich
auf Kosten des Reiches und ihrer Vasallen Besitzungen, Zölle, Privilegien u. s. w.
ungestraft anmaßen konnten. Das Beispiel, welches die Fürsten gaben, fand Nach-
ahmung seitens der Ritterschaft, welche, im Schutze ihrer stark bewehrten Burgen,
Städtern und Kaufleuten die Habe raubte oder Lösegeld ervresste (Faustrecht). Die
Städte gewannen während des Interregnums an Unabhängigkeit und Macht und
ihren Handel schützten sie durch Bündnisse untereinander. Neben dem rheinischen
Städtebunde, welcher großen politischen Einfluss erlangte, entstanden auch zwischen
einzelnen Städten Norddeutschlands Verbindungen, aus welchen später die Hansa
hervorgieng. Deutschland war zu einer losen Verbindung fürstlicher, ritterlicher
und städtischer Gewalten, welche untereinander im beständigen Kampfe lagen, geworden.
Diese trostlosen Verwirrungen erregten schließlich bei den Fürsten den Wunsch,
durch Einseßung eines Reichs-Oberhauptes, die Ordnung und den Frieden herzustellen.
Cinsichtsvolle Päpste begünstigten diese Absicht, um sich an Deutschland einen Ver-
bündeten gegen Frankreich zu gewinnen, das in Jtalien seine Macht zu erweitern
und überhaupt im Abendlande den Einsluss zu gewinnen suchte, welehen ehemals die
deutschen Herrscher besessen hatten. Die Ergebnisse der während des Interregnums
vorgenommenen Königswahlen hatten zur Erkenntnis geführt, dass es nicht mehr
zweckmäßig sein werde, künftige Wahlen eines deutschen Königs durch alle Reichsfürsten
vornehmen zu lassen. Es sollte vielmehr die Anzahl der Wähler eine verhältnismäßig
beschränkte sein und nur den bedeutendsten geistlichen und weltlichen Reichsfürsten das
Recht gewahrt bleiben, das verantwortungsreiche Amt eines Wahl- oder Kurfürsten
(von küren = wählen) ausüben zu dürfen. Pavst Urban IV. (§ 17) hatte schon
1263 die Erzbischöfe von Mainz, Cöln und Trier, den König von Böhmen, den
Herzog von Sachsen, den Markgrafen von Brandenburg und den Pfalzgrafen bei
Rhein als diejenigen Fürsten bezeichnet, denen in künftigen Fällen ausschließlich das
Vorrecht verbleiben sollte, den römischen König zu erwählen
1263
Allgemeine Geschichte. Ik. Theil, 2. Abtheilung.