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Ueberlsicht.
§. 1. Geographische Grundlagen der Geschichte von Oesterreich.
Auf die Geschichte der Völker und Staaten hat der Boden einen im hohen
Grade bestimmenden Einfluß. Zu den wenigen Staaten auf Erden, welche nicht durch
die Verwandtschaft der Völker, sondern aus geographischen Nothwendigkeiten allmälig
entstanden und angewachsen sind, gehört ganz besonders das Kaiserthum Oessterrcich.
Dasselbe nimmt in Europa '/1 qq, auf der ganzen Erde, 's1q00 des gesammten
Areals ein. Die heutige Volksmenge beträgt ", „„ von jener Europas, ',, von jener
der gesammten Erde.
Osterreich liegt in Centralcuropa, also in der Mitt: des gesittetsten Welttheils.
Vermöge seiner Situation bildet es einerseits die Vermittlung von den lebhaften, kunst-
liebenden Völkern des Südens zu den ernsten, kräftigen und gedankenreichen des Nor-
dens, — andererseits enthält es wieder den Uebergang von den höchstcivilisirten und
historisch wichtigsten Völkern der Erde, jenen im Westen Europas, zu den in beiden
Richtuugen erst emporstrebeuden Völkern des Oftens.
Durch mächtige Gebirge und Ströme erscheint der Boden Österreichs stark ge-
gliedert und von sselbst in gewisse Hauptbezirke getheilt. Als der eigentliche Kern der
österreichischen Monarchie ist das gesammte Stromgebieth der Donan iu ihrem mitt-
leren Laufe zu bezeichnen. Dasselbe theilt sich von Natur aus in eine westliche, vor-
zugsweise gebirgige Partie (die Alpenprovinzen und Mähren), und in eine öftliche,
mehr flache, dabei größere Hälfte (Ungarn mit den Nebenlanden). Als Außenglieder,
jedoch in manchrm natürlichen Verbande mit dem Hauptgebiethe stehend, erscheinen :
das Küstenland am adriatischen Meere (Görz, Istrien, Dalmatien), ferner Böhmen,
welches mit seiner Bewässerung zu Nord-, mit seinen Gebirgen zu Süd-Deutschland
gehört und demnach ein höchst wichtiges Bindeglied in politischer und militärischer
Beziehung ist; ~ endlich das Stufenlaud am Nerdabhange der Karpathen (Galizien
und Bukowina).
Die eigenthümliche, in jeder Richtung zwischen den versschiedensten Kontrasten
vermittelnde Lage der österreichischen Lande ist Veraulassung gewesen, daß hier von
jeher die Haupttummelstätle der noch nicht zur vollen Seßhaftigkeit gelaugten Völker,
ferner ein Hauptkampfplatz zwischen dem Süden und Norden, besonders aber zwischen
dem civilisirten Westen und dem rohen Osten Europas gewesen ist. Der Boden und
die Krieger der österreichischen Lande haben seit dem Beginne der christlichen Aera bis
zum heutigen Tage den Schutzwall der Kultur gegen die herandrängende Barbarei,
ebenso auch den Schutzwall der politischen Freiheit gegen die Anmaßungen einzelner
Vatti, Svezialgeschichte.