96 Die Zeit der Reformation und der Religionskriege.
es, daß er beim Disputieren so viele Gründe, Beweisstellen der Schrift
und Aussprüche von Schriftstellern ohne alle Wahl zusammenhäuft und
dabei nicht bemerkt, wie matt diese Gründe meistenteils sind, wie die
Beweisstellen, aus dem Zusammenhange recht erklärt, in dem vor¬
liegenden Falle gar nichts entscheiden und wie unverbürgt und so-
phistisch diese Aussprüche sind: denn er denkt nur daraus, einen großen
Wust hervorzubringen, um den größtenteils ungelehrten Zuhörern einen
blauen Dunst vorzumachen und sich den Schein der Überlegenheit zu
verschaffen. Hierzu muß man noch feine unglaubliche Kühnheit rechnen:
denn sobald er merkt, daß er in das von feinem Gegner gestellte Garn
geraten fei, weiß er der Disputation ganz allmählich eine andere Wen¬
dung zu geben.
b) Disputation zwischen Luther und Eck über den Primat
der römischen Kirche.
In Luthers „Resolutionen der Thesen", 1518, findet sich die beiläufige Be¬
merkung, daß in den ersten 6 Jahrhunderten die römische Kirche noch nicht über den
Kirchen Griechenlands gestanden habe.
13. These Ecks: Wir leugnen, daß die römische Kirche vor den
Zeiten Silvesters (313—335) nicht über den andern Kirchen gestanden
habe, sondern wir haben den, der den Stuhl Petri einnahm, für den
Nachfolger Christi jederzeit erkannt.
Gegenthefe Luthers: Daß die römische Kirche über allen an¬
dern stehe, wird nur bewiesen aus den frostigsten, innerhalb der letzten
400 Jahre ausgekommenen päpstlichen Dekreten, gegen welche zeugt
die beglaubigte Geschichte von 1100 Jahren, der Text der heiligen
Schrift und das Dekret des nicänischen Konzils, des heiligsten
unter allen.
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Eck: Was für ein Ungeheuer wäre die Kirche, wenn sie kein Haupt
hätte! Wer anders aber wäre dies oder wäre es je gewesen als der
römische Bifchof?
Luther: Das Haupt der Kirche ist kein Mensch, jontiem Christus.
Wenn Paulus 1. Kor. 3, 5 sagt: Wer ist Apollos? wer Kephas? wer
Paulus? Ist denn Christus zerteilt? so lehnt er klar ein anderes Haupt
als Christus ab. Die römische Kirche ist erst aus der jerusalemischen
entstanden, diese ist also die Mutter aller Kirchen.
Eck: Der selige Hieronymus nennt die orientalische Kirche
fchismatisch. Der ehrwürdige Vater verhöhne uns nicht mit den
Griechen und Morgenländern, die mit dem Abfall von der römischen
Kirche mich vom christlichen Glauben sich losgemacht haben!
Luther: Der Herr Dr. kann doch nicht behaupten, daß die ganze
morgenländische Kirche immer schismatisch gewesen sei; ich bitte ihn,