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im besten Jagen war, die vier Hufeisen ab und schlug ihm
dafür vier neue an, und zwar so, daß kein Nagel wackelte
und keiner zu viel und zu wenig war. Als der Vater das
gesehen hatte, sprach er: „Ich bin zweifelhaft geworden, wem
ich das Haus geben soll; denn du hast deine Sache ebenso
brav gemacht wie dein Bruder."
Jetzt sing es an zu regneu. Da stand der Fechtmeister
auf und sprach kein Wort; aber er zog seinen Degen und
schwang ihn über seinem Haupte so schnell und so geschickt,
daß ihn auch kein Tropfen naß machte. Bald fiel der Regen
aber so stark und gewaltig, daß es nur so herniedergoß. Da
schwang der Fechtmeister den Degen immer schneller und
schneller, daß man ihn gar nicht mehr sehen konnte, und
fing jeden Tropfen auf, so daß er ganz trocken blieb, als
säße er im Stübchen drinnen. Wie das der Vater sah, er¬
staunte er und rief aus: „Es ist genug, mein Sohn, du hast
mir das beste Meisterstück gezeigt; das Haus ist dein!"
Die andern beiden Brüder verwunderten sich ebenfalls
und waren gern damit zufrieden, daß der Vater dem jüngsten
das Haus zusprach; denn sie hatten sich lieb und konnten
nicht voneinander lassen. Darum blieben sie auch alle drei
beisammen und wohnten in denr Hause. Und weil sie so ge¬
schickt waren und ihre Künste fleißig trieben, so verdienten sie
viel Geld, wurden reich und lebten vergnügt bis an ihr
Ende.
103. Der Wolf und der Mensch.
Von den Brüdern Grimm.
Der Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke
des Menschen; kein Tier könnte ihm widerstehen, und sie
müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten.
Da antwortete der Wolf: „Wenn ich nur einmal einen
Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn los-
Lesebnch für Vorschulen. I. Teil. 8