Full text: Für die 4. Grammatical-Classe der k. k. Gymnasien (Theil 3, [Schülerband])

Israeliten. 
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Söhne, Archelaus, Philippus und Herodes Antipas, welche 
das Gebiet des Vaters unter sich theilten, von denen sich aber nur 
der letztere, freilich als schwacher, von den Römern abhängiger Fürst, 
längere Zeit in der Regierung erhielt. 
So wurde das israel. Volk von zwei Seiten bedrängt, — von 
seinen Unterkönigen und von den römischen Machthabern. Aber nicht 
allein seine bürgerliche Lage, auch sein sittlicher und religiöser Zu¬ 
stand war beklagenswerth. Von den Pharisäern wurde dasselbe 
mehr zu einem kleinlichen Eäremoniendienste und zur strengen Beob¬ 
achtung von Menschensatzungen, als zum Gehorsam gegen Gottes 
Gebote, angehalten. Die Sadducäer gaben das öffentliche Beispiel, 
daß man die Zukunft nach dem Tode auch läugnen könne, wodurch 
das Volk irre geführt und zu zweifeln verleitet werden mußte. 
Betrübender noch war damals der Blick auf die Heidenwelt. 
Die Juden wurden doch noch, wie durch den Glauben an den einen 
heiligen Gott, so durch die Aussicht auf die Zukunft, welche die 
Propheten ihnen eröffnet hatten, aufrecht erhalten. Die Heiden da¬ 
gegen redeten von einer für immer verlornen goldnen Zeit, 
während sie vor sich nur die düstre Unterwelt erblickten mit einem 
Dasein, welches ihnen bloß noch als ein halbes Leben erschien. Zu¬ 
gleich wurden sie durch den Glauben an ihre mangelhaften Götter oft 
mehr entsittlicht, als erhoben und gebessert. — Beide, Juden und 
Heiden, standen sich dabei einander darin ziemlich gleich, daß sie 
meinten, begangene Sünden durch Opfer wieder gut machen und 
neu begangene Sünden durch Wiederholung der Opfer tilgen zu kön¬ 
nen. Daher war ein sittlicher Stillstand in der Welt eingetreten, bei 
welchem die Menschen immer mehr sinken mußten. Deshalb gieng 
denn auch damals ein tiefes Gefühl durch die Welt, daß es nicht sei, 
wie es sein sollte, und ein allgemeines Verlangen nach Verbesserung 
ward je länger je mehr rege. — Besonders war dieß bei den Juden 
der Fall. Da erschien unter diesem Volke 
Jesus Christus 
als Erlöser und Heiland der Welt. — Hatten die ersten Men¬ 
schen nach dem Sündenfalle nur Tod und Strafe vor sich, so ver¬ 
kündigte dagegen dieser Netter Gnade und Vergebung für alle, welche 
an ihn glauben würden. Statt des verlornen Paradieses zeigteer 
ihnen ein anderes, herrlicheres in der Zukunft. Leben und Un¬ 
sterblichkeit wurde durch ihn an's Licht gebracht; die Zweifel der Sad¬ 
ducäer, so wie die düstre Unterwelt der Heiden verschwanden, und 
ein Lichtreich voll Friede und Freude trat durch ihn jenseits der Todes¬ 
nacht hervor. Statt des von den Juden gefürchteten Gottes, welchen 
diese zudem nur als ihren Gott betrachteten, statt des „unbekannten 
Gottes"*) der Heiden verkündigte er den Vater, welcher alle 
*) Apostelgcsch. 17.
	        
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