Full text: [Teil 1 = Sexta, [Schülerband]] (Teil 1 = Sexta, [Schülerband])

8 
kam, sah den frischen Hasen, der alle viere von sich streckte, stellte richtig 
den Korb hin und bückte sich nach dem Hasen. Jetzt wischte der Fuchs 
hervor, erschnappte den Korb und strich damit querfeldein; gleich war der 
Hase lebendig und folgte eilends seinem Begleiter. Dieser aber stand gar¬ 
nicht still und machte keine Miene, die Semmeln zu teilen, sondern ließ 
merken, daß er sie allein fressen wollte. Das vermerkte der Hase sehr übel. 
Als sie nun in die Nähe eines kleinen Weihers kamen, sprach der Hase 
zum Fuchse: „Wie wäre es, wenn wir uns eine Mahlzeit Fische ver¬ 
schafften? Wir haben dann Fisch und Weißbrot wie die großen Herren. 
Hänge deinen Schwanz ein wenig ins Wasser, so werden die Fische, die 
jetzt auch nicht viel zu beißen haben, sich daran hängen. Eile aber, ehe 
der Weiher zufriert." 
Das leuchtete dem Fuchse ein; er ging hin an den Weiher, der eben 
zufrieren wollte, und streckte seinen Schwanz hinein, und eine kleine Weile, 
so war der Schwanz des Fuchses fest angefroren. Da nahm der Hase den 
Semmelkorb, fraß die Semmeln vor des Fuchses Augen ganz gemächlich, 
eine nach der andern, und sagte zum Fuchse: „Warte nur, bis es auftaut; 
warte nur bis ins Frühjahr, warte nur, bis es auftaut!" Und er lief 
davon, und der Fuchs bellte ihm nach wie ein böser Hund an der Kette. 
_ Bechstein. 
16. Der Löwe und der Hase. 
Ein Löwe würdigte einen drolligen Hasen seiner nähern Bekanntschaft. 
„Aber ist es denn wahr," fragte ihn einst der Hase, „daß euch Löwen ein 
elender krähender Hahn so leicht verjagen kann?" 
„Allerdings ist es wahr," antwortete der Löwe; „und es ist eine all¬ 
gemeine Anmerkung, daß wir großen Tiere durchgängig eine gewisse kleine 
Schwachheit an uns haben. So wirst du, zum Exempel, von dem Ele¬ 
fanten gehört haben, daß ihm das Grunzen eines Schweines Schauder 
und Entsetzen erweckt." 
„Wahrhaftig?" unterbrach ihn der Hase. „Ja, nun begreife ich auch, 
warum wir Hasen uns so entsetzlich vor den Hunden fürchten." 
_1_ Lessing. 
17. Der lügenhafte Hirt. 
Ein junger Hirt ängstigte seine Nachbarn oft ohne Not. „Der Wolf! 
der Wolf!" rief er aus allen Kräften, und wenn nun die Hirten zu seiner 
Hülfe herbeigeeilt kamen, so — war kein Wolf zu sehen; der Hirte aber 
stand ganz ruhig da und lachte sie noch dazu tüchtig aus. 
Mehrmals war ihm dieser vermeintliche Scherz gelungen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.