\ 1
In Wahrheit war er von nun ab Türhüter des Sultans, bezog ein
nicht unbeträchiliches Jahrgehalt und führte den türkischen Namen
Mehemed Effendi. Viele seiner verblendeten Anhänger wurden gleich
ihm Moslemin, und es bildete sich in ihrer Mitte eine Sekte, die teil-
weise den Lehren des Islam folgte, teilweise aber an den Geseten des
Judentums festhielt.
Sabbatai Zwi verlor indessen durch seine zweideutige Haltung
immer mehr die Gunst seines Gebieters. Er wurde nach dem Städt-
chen Dulcigno in Albanien verbannt und starb daselbst im Jahre 1676
einsam und verlassen.
Doch weit über sein Grab hinaus wirkte die von ihm hervor-
gerufene Bewegung fort. Die Saat des Aberglaubens wucherte im
stillen weiter und wurde von rührigen Sendboten genährt, welche die
halbe Welt durchreisten mit der Botschaft, Sabbatai sei dennoch der
wahre Messias gewesen und werde sicherlich wiederkommen, um Jsrüel
endlich zu erlösen.
2. Die Nachwehen der sabbatianischen Schwärmerei. Nehemia Chajon
und Mose Chajjim Luzzatto.
Die Irrlehren Neh. Chajons. Den weit verbreiteten Irrwahn,
daß das Himmelreich vor der Tür sei, benutzte ein gelehrter und ver-
schlagener Abenteurer, Nehemia Chajon aus Bosna Serai (geboren
1650), um Einfluß und Ansehen zu gewinnen. Er hatte sich in Hebron
talmudische und kabbalistische Kenntnisse angeeignet und erschien im
Anfang des achtzehnten Jahrhunderts unter dem Vorwande, Spenden
für das heilige Land zu sammeln, in Europa. Während er im geheimen
die Gebote der Religion uud Sittlichkeit frech verletzte, blendete er die
Zeitgenossen durch tiefsinnige kabbalistische Kenntnisse, denen er in Rede
und Schrift eine einnehmende Darftelung zu geben wußte. Durch
sophistische Deutung mißverstandener Soharstellen wollte er glauben
machen, daß das Judentum einen dreieinigen Gott und fleischgewordenen
Messias lehre. Lange ließen sich selbst gelehrte und wahrhaft gottes-
fürchtige Männner durch den erheuchelten Schein seiner Frömmigkeit
und Rechtgläubigkeit täuschen. Trotzdem er in Jerusalem, Smyrna und
Konstantinopel wegen seines anstößigen Lebenswandels und seiner uu-
verschämten Fälschung klarer Glaubenswahrheiten in den Bann getan
war, fand er in Holland und Deuischland immer noch angesehene Partei-
gänger, die verblendet genug waren, ihn in Schutz zu nehmen.
Am meisten Unheil und Verwirrung richtete er in Amsterdam an.
Hier fungierte zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts bei den Portugiesen ein
Rabbiner, der in seiner Jugend ein Anhänger der sabbatianischen Schwärmerei gewesen
war und deshalb Chajon eifrig begünstigte. Ihm trat mit übergroßer Heftigkeit
der Rabbiner der dortigen deutschen Gemeinde, Zwi Aschkenasi, der sich am liebsten
Chacham Zwi nennen ließ, entgegen und wies nach, daß Chajon ein Schelm und