ZP YO. --
Vierter Teil.
Geschichte des 19. Jahrhunderts.
76. Überficht.
_ Anderthalb Jahrzehnte nach dem Wiener Kongreß bestimmten die
Mächte der heiligen Allianz die Politik Europas. Die Reaktion steigerte
sich immer mehr, je heftiger der Widerstand der in ihren Hoffnungen
getäuschten Völkern sich erhob. Deshalb traten wiederholt die europäischen
Fürsten mit ihren Staatsmännern zu Kongressen (Aachen 1818, Laibach
1820, Verona 1822) zusammen, um die Volksbewegungen niederzuhalten und
bewaffnete Vermittelung zwischen den Völkern und Regierungenzu beschließen.
Doch war der dadurch erzielte Erfolg nur gering und von kurzer Dauer,
da die lebhafte Sehnsucht nach politischer Freiheit, getragen von dem
neuerwachten Nationalgefühl, welche die französische Revolution gezeitigt
hatte, sich nicht mehr unterdrücken ließ. So kam es zu einer Reihe der
gewaltsansten Erschütterungen der europäischen Staaten. Die erste Hälste
des 19. Jahrhunderts war die Zeit der Freiheits- und Verfassungskämpfe,
die erst dann aufhörten, als die persönliche Freiheit, die bürgerliche Gleich-
berechtigung und die Volkshoheit zum Siege gelangt waren. Diese Rechte
gewährleistet seither die Verfassung jedes Kulturstaates seinen Bewohnern.
Mit Ausnahme Rußlands und der Türkei gelangten somit im 19. Jahr-
hundert die Errungenschaften der französischen Revolution im Abendland
zur Geltung und wurden Gemeingut aller Kulturnationen.
Ein zweites Moment in der Geschichte des 19. Jahrhunderts, das
besonders in der zweiten Hälfte hervortritt, ist das nationale. Denn
nachdem die ständische Staats- und Gesellschaftsordnung beseitigt worden
war, bildeten die Nationen allein das vereinigende Band. Mit der
individuellen war auch die nationale Freiheit verbunden. Die Nationen
besorgten das Recht, alle jene Individuen, welche durch Abstammung,
Sprache, Sitten und Gebräuche sich als zusammengehörig fühlten, zu einigen
und diese Vereinigung in der Organisation der Staaten zum Ausdruck zu
bringen. So gelangte nach der Jdee der Freiheit die des nationalen
Zusammenschlusses zur Geltung. Jhr verdankten das Deutsche Kaiserreich
und das Königreich Italien ihre Entstehung, während sie in andern
Ländern der alten und neuen Welt zum Grundprinzip der Staatsordnung
wurde. Die Bildung des Deutschen und italienischen Reiches führte