Full text: Die neueste Zeit (Bd. 2, [Schülerband])

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und Bediente. Für junge Fürsten und Adlige galt bald zum Abschluß 
und zur Vollendung ihrer Erziehung ein kurzer oder längerer Aufenthalt 
in Paris als notwendig. 
Den gewaltigsten Einfluß aber übte auf Europa die französische 
Literatur des 18. Jahrhunderts. Jn Frankreich bekämpften hervorragende, 
aber in ihrem Urteil oft befaugene Schriftsteller die Glaubenslehren und 
Einrichtungen der christlichen Kirche und grifsen schonungslos die aus 
dem Mittelalter stammenden Staatseinrichtungen sowie die gesellschaft- 
lichen Verhältnisse an, welche sie als überlebte Formen bezeichneten. Indem 
sie Aberglauben, Vorurteile und überlieferte Gebräuche anfochten, ver- 
nichteten sie aber die Ehrfurcht vor dem Heiligen, seßten das Ansehn 
des Christentums herab und’ erweckten die Anschauung, daß nnr aus 
der Vereinigung des Christentums wahre Zufriedenheit erblühen könne. 
Da sie andrerseits die Vernichtung der Privilegien und Standesvorrechte 
verlangten und der Freiheit, sowie dem Verdienst des einzelnen Geltung 
zu verschaffen suchten, untergruben sie die Achtung vor alten Satzungen 
und vor dem Rechte und sschwächten die Macht der Obrigkeit. So entstand 
in Frankreich jene literarische Strömung, die man die Aufklärung oder 
in religiöser Hinsicht den Rationalismus nennt und die von Frankreich 
aus sich fast nach allen Ländern Europas verbreitet. 
Im 18. Jahrhundert blieb der Absolutismus noch immer die 
herrschende Staatsform iu Europa, erfuhr aber durch den Zeitgeist seit 
der Mitte desselben eine durchgreifende Änderung. Deun die französische 
Aufklärungsphilosophie beeinflußte die Ansichten und Handlungen der 
Fürsten und leitenden Staatsmänner. Die einzelnen Herrscher erinnerten 
sich daran, daß sie auch Pflichten ihren Untertanen gegenüber zu erfüllen 
hätten. Während sie an dem Gottesgnadentum ihrer Macht festhielten, 
suchten sie durch Reformen im Rechtswesen und in der gesellschaftlichen 
Stellung der Stände den Lehren der Aufklärungsphilosophie nachzuleben. 
Viele, aus dem Mittelalter stammende Vorrechte und Lasten wurden beseitigt, 
in manchen Ländern Leibeigenschaft und Frondienste aufgehoben oder 
gemildert. Neue Gesetßbücher und Ordnungen der Rechtspflege beseitigten 
die entehrenden Strafen der früheren Zeit, z. B. die Folter, das Rad. 
Auf dem Gebiete der Staatswirtschaften förderte die Aufklärung die Ent- 
wickelung der natürlichen Kräfte der Länder. Ackerbau, Viehzucht, Handel 
und Gewerbfleiß wurden unterstützt, um möglichst alle Kräfte dem Staate 
nutzbar zu machen. Andrerseits entwickelte sich ein drückendes Zollwesen und 
entstanden königliche Handelsvorrechte (Regie), eine indirekte Besteuerung,
	        
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