§. 11, 2. Karl XII. von Schweden.
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in der Nähe von Dresden erschien, bequemte sich August zum Frieden
von Altranstädt 1706, worin er für sich und seine Nach¬
kommen auf den polnischen Thron verzichtete, dem Bunde mit Ruß-
land entsagte und den unglücklichen Patkul dem Zorne Karls XII.
opferte.
Auf Karls Rückmärsche nach Polen traf eines Tages eine Ge¬
sandtschaft schlesischer Protestanten bei ihm ein und bat um
Schutz ihres Gottesdienstes. Ein alter Bauer drängte sich an Karl
heran und wich nicht von ihm, bis ihm der König die Hand darauf
gegeben hatte, er werde ihnen die freie Ausübung ihres Gottesdienstes
verschaffen. Karl hielt Wort. Als er den Kaiser Joseph I. hierum
anging, gewährte dieser bereitwillig das Gesuch und schrieb dem
Papste, welcher ihn darüber tadelte, daß er die eingezogenen Kirchen
herausgegeben habe, er sei noch glücklich gewesen, daß der König
von Schweden nicht auch seinen Übertritt zur lutherischen Kirche
begehrt habe; denn er wisse nicht, was er alsdann gethan haben
würde.
Fünf Jahre waren seit der Schlacht bei Narwa verflossen.
Peter der Große hatte die Abwesenheit seines Gegners vor¬
trefflich benutzt, Jngermanland, Livland und Esthland genommen und
am Ausflusse der Newa 1703 den Grundstein zur neuen Haupt¬
stadt des Reiches, St. Petersburg, gelegt. 100 000 Leibeigene
arbeiteten ^ag und Nacht an dem mühsamen Bau in morastigem
Boden, viele erlagen dem Sumpssteber und den übermäßigen Stra¬
pazen. Da man anfangs nur hölzerne Häuser baute, so konnte die
Stadt schon im zweiten Jahre nach der Gründung bewohnt und be¬
festigt werden. Die Versuche der Schweden, den Bau zu stören,
blieben erfolglos. Da erschien 1708 Karl XII. nach seinem Abzüge
aus Sachsen aus russischem Gebiet, nachdem er die unwegsamsten
Moräste unter Entbehrungen aller Art mit seinen Truppen durchwatet
hatte. Er gedachte zuerst geraden Weges auf Moskau loszugehen,
um sich im Herzen Rußlands festzusetzen, allein der Plan des ehr¬
geizigen Kosakenhetmanns Mazeppa brachte ihn hiervon wieder ab,
Dieser war bisher dem Zaren zinsbar gewesen und hoffte nun, mit
Karls Beistand sich in den unumschränkten Besitz der Ukraine,
seines Gebietes, zu setzen. Er bot Karl XII. ein Hilfskorps und
Lebensrnittel an, wenn er ihm die Ukraine verschaffe. Karl ging
auf diesen Vorschlag ein und brach dahin auf, ohne seine frischen
Truppen abzuwarten, welche ihm der tapfere General Löwenhaupt
zuführte. Peter der Große griff diese an, als sie über den Dnjepr