Ein treuer Knecht. 
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nicht die es entgelten lassen wollen, die als Hüter und Vollstrecker des 
Gesetzes eingesetzt sind. 
Das Surren des Webstuhles bricht plötzlich ab. Weither durch 
die Lüfte wird ein schwellender, voller Ton getragen. Kirchen⸗ 
glocken mahnen, rufen. Draußen die freie Welt rüstet sich zur Christ— 
mette. Auch daheim stampft man nun bald durch den Schnee empor 
zu dem kleinen Kirchlein am Bergeshange. Dort hat er stets seinen 
festen Platz an der Orgel gehabt — da mußte er singen — hell hinaus 
klang seine Stimme. O, nur noch einmal dort oben stehen, reinen 
Herzens, entsühnt! 
Surrrreri Ein paar Gänge hin und her — nein, die Arbeit 
will zur Stunde nicht vorwärts. Immer wieder drängt sich ihm 
etwas zwischen die Augen. Er lehnt sich gegen die Wand und lauscht 
so den facht verhallenden Klängen. So findet ihn der Direktor, als er 
unvermutet in die Zelle tritt. Er mag wohl fühlen, was in der Seele 
des Burschen sich aufringt. Freundlich blickt er ihn an, dann über— 
reicht er ihm einen Brief. 
„Hier, Kettner, ein Weihnachtsgruß von zu Hause!“ 
„Von — daheim?“ 
„Von der Mutter, Kettner. Die hofft noch immer, daß du 
als ein Mensch wieder heimkommst, der fortan tüchtig und brav sein 
wird. Und tüchtig bist du ja, denn du hast was gelernt und darfst 
dich sehen lassen!“ 
Der Bursche hat aus dem offenen Umschlag den Brief gezogen. 
Er überfliegt das Schreiben, denn es ist nicht lang. Er zittert am 
ganzen Leib. 
„Es liegt noch was drin“, sagt der Direktor milde. 
Kettner greift hinein und zieht einen kleinen grünen Tannen— 
zweig heraus. Der Odem seiner Heimat weht ihm entgegen. Die 
Arme sinken ihm herab. Zweifelnd, prüfend schaut er den alten 
Herrn an. Dann auf einmal bricht es aus ihm heraus: „Herr Di⸗ 
rektor, ich —“ Er kommt nicht weiter. 
„Na, was ist denn?“ 
„Ich will es werden! Ich will's ...“ 
A. Trinius. 
—— 
V. 
Stall und Hof. 
50. Ein treuer Knecht. 
L. „Herein!“ rief der Amtmann Hohental auf RKielow, und 
seine Stimme klang unwirseh und verdrießlich; denn er war eben 
etwas eingenickt und dureh das Klopfen in seiner Mittagsruhe 
gestört worden. Die Tür wurde leise geöffnet, und auf der Sgehwolle
	        
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