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II. Dir unteren Gottheiten.
Wympben.
(Siehe Abbildung XIV.)
Schon in der Einleitung erzählte ich Ihnen, meine Leser,
daß die immer geschäftige, fruchtbare Phantasie der Alten sich alle
Gefilde, Berge, Thäler, Gebüsche, Gesträuche, Bäume, Wälder,
Quellen, Bäche, Flüsse und Seeen mit Wesen höherer Art be¬
völkert und von diesen gleichsam beherrscht dachte. Dieser Glaube
saud bei den Römern wie bei den Griechen statt, und von jenen
wie von diesen wurden solche Untergottheiten Nymphen genannt.
Sie gleichen den Wasserjungfern und Waldfrauen in unseren
Volkssageu.
Nymphen waren überhaupt weibliche Mittelwesen zwischen
Göttern und Menschen, mit beiden im Umgange, von beiden ge¬
liebt und verehrt, Wesen, welche auch die Gabe besaßen, sich sicht¬
bar und unsichtbar zu machen, und manches ausführen konnten,
was nur Götter zu thun vermochten, die Ambrosia genoffen, wie
jene, welche ein heiteres, glückliches Leben führten, und zwar iu
Kraft und Jugend ein hohes Alter erreichten, aber nicht unsterblich
waren, wie die oberen Götter. Nach dem alten Glauben wurden
fie in außerordentlichen Fällen auch zur Versammlung der olympi¬
schen Götter entboten, aber ihr gewöhnlicher Aufenthalt war das
Gebiet ihrer Thätigkeit in den einsamen Grotten und stillen Thälern,
wo sie spinnen und weben, oder baden, liebliche Lieder singen,
tanzen und spielen, oder mit den ihr Gebiet durchstreifenden oberen
Göttern ziehen, als: mit der Artemis (Diana) jagen, mit dem
Dionysos (Bacchus) schwärmen, mit Apollo und Hermes (Merkur)
scherze», aber mit den neckischen und ausgelassenen Satyrn in
stetem Kampfe leben.
Schon die frühesten Sagen des Altertumes sind mit Er¬
zählungen von den Thaten verschiedenartiger Nymphen angefüllt,
und die Dichter trieben mit diesen Götterwesen ein lebhaftes Spiel
der Phantasie. Besonders bei den Griechen waren viele Nymphen
bekannt, an welche der große Haufe der Menschen glaubte, und