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Jüdische Secten.
4. Jüdische Secten. Pharisäer.
Dieser geistige Hochmuth, diese Werkhelligkeit drückte sich
noch mehr als bei der Masse des Volkes bei den 3 großen
Secten aus, welche in unbekannter Zeit sich unter ihnen bildeten
und gerade damals in besonderer Blüthe standen, den Phari¬
säern , Sadducäern und Essäern. Die Pharisäer beobachteten
viele unwesentliche Gebräuche, welche auf einer Ueberlieferung
von Moses her beruhten, mit außerordentlicher Gewissenhaftigkeit,
vernachlässigten aber die innere Heiligung, das Wesen des Ge¬
setzes, und während sie sich für die Nachfolger der alten Pro¬
pheten hielten, wurden sie nur Zerrbilder derselben, Volksauf¬
wiegler, die nichts für recht gelten ließen, als was von ihrer
Art war.
5. Die Sadducäer.
Die Sadducäer verwarfen das Prophetenthum, meinten, Gott
kümmere sich nicht um menschliche Angelegenheiten, läugneten die
Fortdaner der Seele nach dem Tode und waren eben so hart,
roh und gefühllos gegen ihre Nächsten, als sie sich das Verhältniß
Gottes gegen den Menschen vorstellten.
6. Essäer.
Die Essäer, welche sehr zurückgezogen lebten, glaubten an
ein Fatum, eine unausbleibliche vorherbestimmte Nothwendigkeit,
welcher der Mensch verfalle; das gegenwärtige Leben hielten sie
für einen Kerker. Von den Juden hatten sie sich völlig ge¬
trennt, da sie den Jehovacultus verabscheuten; sie hatten Güter¬
gemeinschaft, heiratheten nicht und ergänzten ihre Lücken durch
die Aufnahme von Kindern, die sie heranzogen, oder Erwach¬
sener, die eigene Prüfungen zu bestehen und furchtbare Eide zu
leisten hatten. Ihre moralischen Vorschriften waren edler, als
bei irgend einer Genossenschaft der Heiden und der Werth, den
sie auf Beobachtung der Keuschheit legten, zeigt eine Enthalt¬
samkeit, welche bei jenen eine seltene Ausnahme war. Vieles
berechtigt jedoch, sie selbst eher von persischen Religionsideen
durchdrungen auzusehen, als sie, obgleich aus dem Judenthume
hervorgegangen, für eine jüdische Secte zu halten. Zu diesen
Hauptsecten kamen dann noch mehrere andere kleinere Secten,