Full text: Geschichte der Israeliten von den urältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Fünflet Abschnill. 
Vom Anfange des 16. bis Ende des 17. Jahrhunderts. 
113. Die Juden in Oesterreich. 
Die äußere Lage der Juden in Oesterreich ist von der im deutschen 
Reiche kaum verschieden. Die Verfolgungen des 14. und 15. Jahrhunderts 
hatten in den größeren österreichischen Gemeinden denselben Charakter der 
Grausamkeit und des Judenhasses, und auch hier fanden die Juden nur 
Schutz in ihrer Stellung als kaiserliche Kammerknechte. Pobelaufläufe und 
Judenhetzen kamen besonders häufig in Wien und Prag und auch an 
inderen Orten vor. In Wien wurden die Juden 1668 von den Stu— 
denten überfallen und geplündert, 1670 wurden alle Juden aus Wien 
and den österreichischen Erblanden vertrieben. Als talmudische Kapazitäten 
sind zu nennen: Josef Pollak (st. 1830), dem die Erfindung des Pilpul, 
d. i. jener scharfsinnigen aber sophistischen Methode, die bei talmudischen 
Thesen ein dialektisches Luftgebäude aufführt, um den Witz zu zeigen 
und sich wenig um Erforschung der Wahrheit kümmert, zugeschrieben 
wird. Lipman Heller, geboren 1579, Verfasser des „Tosaphot Jomtow“ 
eines Commentars zur Mischna. Er war Rabbiner in Prag, Wien 
und zuletzt in mehreren polnischen Gemeinden. In Folge einer Denun— 
ziation wurde er eingekerkert, gelangte jedoch auf Verwendung angesehener 
Glaubensgenossen wieder in Freiheit. Levi ben Bezalel, Oberrabiner zu 
Prag, welcher der Sage, die sich mit ihm viel beschäftigt, den Beinamen 
„hoher Rabbi Löb“ verdankt, Verfasser vieler Werke, war auch in der 
Mathematik und Astronomie erfahren, und hatte öfters wissenschaftliche 
Unterredungen mit Kaiser Rudolf II. (starb 1609). Sein Zeitgenosse 
war David Gans (1541 1613), Verfasser der Geschichtschronik „Zemach 
David“ und eines Werkes über Astronomie. Er stand in wissenschaft— 
lichem Verkehre mit dem berühmten Astronomen Tycho de Brahe, dem 
er von Prag aus öftere Besuche im Schlosse Benatek machte. Ein an— 
derer Zeitgenosse des „johen Rabbi Löb“ war der wegen seines Reich— 
thums und seiner Wohlthätigkeit berühmte Mordcechai Meisel, der große 
Summen für die Prager Gemeinde widmete, die sogenannte Judenstadt 
oflastern, ein öffentliches Amtshaus und mehrere Synagogen bauen ließ 
1528 1601). David Oppenheimer, geboren in Worms 1667, Rabbiner 
zu Nikolsburg und nachher zu Prag, war ein Mann von großer Ge⸗— 
kehrsamkeit und verfaßte auch mehrere Werke; einen größeren Ruf 
berdankt er seiner großen Bibliothek, die in Hannover stand, von da 
nach Hamburg kam und erst in neuester Zeit der Orforder Bibliothek 
rinverleibt wurde.
	        
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