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die Anerkennung der englischen Regierung und einen unvergeßlichen Na—
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die späte Nachwelt mit Bewunderung nennen wird. Im Jahre 1837
wurde er als Sheriff von London gewählt. Von der Königin Viktoria
in den Ritterstand erhoben, verwaltete er mit Auszeichnung das Chren⸗—
amt eines Ober-Sheriff's der Grafschaft Kent und erhielt den Baron⸗
litel. Wie seinen Reichthum benützte er auch sein Ansehen nur als Mittel,
um seine menschenfreundlichen Bestrebungen durchzuführen. Besonders
waren es die Läden seiner Glaubensbrüder, deren Linderung er zur
Aufgabe seines Lebens machte. Der religiöse Sinn lenkte seine Blicke
vorzugsweise auf den traurigen Zustand der Juden Palästina's. Im
Jahre 1829 unternahm er in Begleitung seiner Gattin seine erste Reise
nach Palästina und brachte der dortigen Armuth Trost und Hilfe. So
oft das heilige Land von einer großen Calamität heimgesucht wurde,
reiste das edle Paar nach der Stäaͤtte des Unglücks und trat als Retter
und Helfer in der Noth auf; fo 1837, als Tiberias und noch einige
Städte Palästina's durch ein Erdbeben zerstört wurden; 1854 bei der
großen Hungersnoth, wo er vom Sultan die Erlaubniß erhielt, Lände—
reien anzukaufen, Spitäler und Armenhäuser zu gründen; —1863, noch
in Trauer um seine dahingeschiedene Lebensgefährtin und treue Begleiterin,
die ihm 1862 entrissen wurde, als sich zu den Verheerungen der Cholera
die durch die Heuschreckenzüge entstandene Hungersnoth gesellte. Noch
größer wie als Wohlthäter der Armuth ist die Bedeutung Montefiore's
Ils Anwalt seiner verfolgten Glaubensgenossen. Als 1840 aus Anlaß
des Verschwindens eines katholischen Geistlichen in Damaskus die un—
sinnige mittelalterliche Beschuldigung gegen die Juden erhoben wurde,
daß sie den Pater Thomas, so hieß der Geistliche, gemordet und dessen
Blut für das Osterfest verwendet hätten, eine Beschuldigung, welche die
ganze zivilisirte Welt in die höchste Aufregung versetzte, reiste Monte⸗
fiore, begleitet von dem redegewaltigen Advokaten Cremieux nach Kon—
stantinopel, Kairo und Damaskus. Es gelang den beiden großen Män—
hern vom Vizekönige von Egypten, der damals über Syrien herrschte
und vom Sullan zu Konstantinopel, bei denen sie Audienzen hatten, die
Verleumdung zu entkräften, die in Damaskus eingekerkerten und den
Qualen der Folter unterzogenen Vorsteher der Juden zu befreien und
eine Besserung der Lage ihrer Glaubensgenossen in jenen Ländern Asiens
zu bewirken. Die strengen Ukase, die Kaiser Nikolaus gegen die Juden
in Rußland erließ, führten Montefiore 1846 nach Petersburg, wo er
huldvolle Aufnahme beim Kaiser fand, und die Sistirung der harten
Gesetze erwirkte. Auf den Wunsch des Kaisers bereiste er das russische
Polen, um die Zustände der dortigen Juden kennen zu lernen, und der
russischen Regierung Vorschläge zur Besserung derselben machen zu können.
1838 begab er sich nach Rom, um beim Papste die Rückgabe des ge—
waltsam getauften und den Eltern entrissenen Knaben Mortara in Bo—
logna zu erwirken, was ihm jedoch nicht gelang. Von seiner Reise nach
Marokko im Jahre 1866 ist bereits berichtet worden. Im vorigen
Jahre unternahm der 84jährige Montefiore noch die Reise nach den
Donaufürstenthümern, wo die Juden schreckliche Verfolgungen zu er—
leiden hatten.