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2 Die Erde und die Sonne.
Nach dem Augenscheine und nach allgemeinem Glauben wäre die Erde
mit allen ihren Bergen und Thälern eine große runde Fläche, gleich einer un¬
geheuer großen Scheibe. Am Rande derselben weiter hinaus kommt Nichts
mehr, dort ist gleichsam der Himmel an sie gefügt, der wie eine große hohle Halb¬
kugel über ihr dasteht und sie bedeckt. Dort geht am Tage die Sonne aus
und unter, bald früher, bald später, bald links an einem gewisien bekannten
Berge oder Hause, bald rechts, und bringt Tag und Nacht, Sommer und
Winter und bei Nacht den Mond und die Sterne, und sie scheinen nicht gar
entsetzlich hoch über unsern Häuptern zu stehen.
Das wäre nun Alles gut, wenn's Niemand bester wüstte, aber die Stern¬
seher und Kalendermacher wisten's bester. Denn erstlich, wenn einer daheim
weggeht und will reisen bis an's Ende der Erde, an den Rand, wo man, wie
es scheint, einen aufgehenden Stern mit der Hand weghaschen und in die
Tasche stecken kann, und er geht am ersten April vom Hause aus, so hat er
den rechten Tag gewählt. Denn er kann reisen, wenn er will, durch Deutsch¬
land, durch Polen, durch Rustland, nach Asien hinein, durch die Muhamedaner
und Heiden, vom Lande auf's Wasser und vom Master wieder auf's Land und
immer weiter. Aber endlich, wenn er sich auf einen Baumstamm setzt, und
will daran denken, wie lange er schon von den Seinigen weg ist, und wie
weit er noch zu reisen hat an's Ende der Erde und wieder zurück: auf einmal
wird's ihm heimlich in seinem Gemüthe, es wird ihm nach und nach Alles,
wie es daheim war; er hört seine Landessprache wieder sprechen; zuletzt erblickt
er von Weitem einen Kirchthurm, den er auch schon gesehen hat, und wenn
er auf ihn zugeht, kommt er in ein wohl bekanntes Dorf und hat nur noch
zwei Stunden oder drei, so ist er wieder daheim und hat das Ende der Erde
nie gesehen. Nämlich er reis't um die Erde, wie man einen Strich mit Kreide
um eine Kugel herumzieht, und kommt zuletzt wieder auf den alten Fleck, von
dem er ausging.
Es sind schon mehr als zwanzig solcher Reisen um die Erde nach ver¬
schiedenen Richtungen gemacht worden. In zwei bis drei Jahren, je nachdem
es geht, ist Alles geschehen. Ist nicht der englische Seekapitain Cook in sei¬
nem Leben zweimal um die ganze Erde herumgereist, und von der andern
Seite wieder heimgekommen? Aber das dritte Mal haben ihn die Wilden auf
der Insel Owaihi todtgeschlagen. Aus vorerwähnten und aus mehreren
sicheren Anzeigen erkennen die Gelehrten Folgendes: Die Erde ist nicht blos
eine ausgebreitete, rund abgeschnittene Fläche, nein, sie ist eine ungeheuer
große Kugel. Weiter: sie hängt und schwebt frei und ohne Unterstützung,
wie ihres Orts die Sonne und der Mond, in dem unermestlichen Raume des
Weltalls, unten und oben zwischen lauter himmlischen Sternen. Weiter: sie
ist rings um und um, wo sie Land hat, und wo die Hitze oder der bittere
Frost es erlaubt, mit Pflanzen ohne Zahl besetzt und von Thieren und
von vernünftigen Menschen belebt. Man must nicht glauben, dast auf
diese Art ein Theil der Geschöpfe mit dem Kopfe abwärts hange, und in
Gefahr stehe, von der Erde weg und in die Luft herab zu fallen. Dies ist
lächerlich. Ueberall werden die Körper durch ihre Schwere an die Erde gezo¬
gen und können ihr nicht entlausen. Ueberall nennt man unten, was man
unter den Füßen hat, und oben, was über dem Haupte hinaus ist. Niemand