Die Römer
X. Die ethnographischen Verhältnisse im alten Italien.
Alt-Italien war von vielen Völkerschaften bewohnt, die sechs
verschiedenen Völkern angehörten; es sind dies die Ligurer, Ita-
liker, Etrusker, Illyrier, Griechen und Kelten. Die ethnographische
Stellung der Ligurer und Etrusker ist nicht bekannt; die übrigen
gehören dem indogermanischen Sprachstamme an.
Die Ligurer waren der Rest eines vor der Ausbreitung der
Indogermanen im südwestlichen Europa weit verbreiteten Volkes;
sie blieben kulturlos. Die Etrusker oder Tusker (griechisch Tyr-
rhener) wurden durch die Gallier und die Römer auf Etrurien be-
schränkt. Zwischen 600 bis 500 erreichten sie den Höhepunkt ihrer
Macht, geboten über Rom und beherrschten das Tyrrhenische Meer,
wurden aber später von den Römern unterworfen. Berühmt waren
ihre Metallarbeiten. Zu den Illyriern gehörten die Veneter und
Istrer; beide wurden romanisiert. Die Griechen gründeten zahl-
reiche Kolonien in Unteritalien. Die Kelten (Gallier) drangen etwa
seit 400 in Italien ein und setzten sich im Polande fest; nach wieder-
holten blutigen Kämpfen erlagen sie endlich den Römern.
Weitaus der wichtigste Stamm waren die /talıker, da sie die
Träger der geschichtlichen Entwicklung in Italien sind. Diesem
Stamme gehören. die zahlreichen Völkerschaften Mittel- und Unter-
italiens an, deren Dialekte sich mindestens so nahe standen wie die
griechischen; sie wurden allmählich latinisiert. Die Italiker zer-
fallen in zwei große Zweige: den latinischen im Westen und den
umbrisch-sabellischen im Osten und im Innern.
Derlatinische Zweig wohnte ursprünglich südlich von
den Etruskern an der ganzen Westseite Italiens; ihm gehörten unter
anderen auch die Römer an. Der umbrisch-sabellische
Zweig nahm einen weit größeren Raum ein, da er ınehr als
20 Völkerschaften, wie die Umbrer, Sabeller (Sabiner), Samniten,
Volsker, Äquer, Marser u. a., umfaßte.
Den Grundstock für diese zahlreichen Völkerschaften bildeten
die Sabiner in den erträgnisarmen Abruzzen. Bei ihnen bestand die
Einrichtung des Ver sacrum,} derzufolge sie in Zeiten großer Not
die Menschen und Tiere, welche im nächsten Frühlinge geboren
würden, dem Mars weihten. Während das Vieh geopfert wurde,
* Zum letztenmal erwähnt im Jahre 217; vgl. Liv. XXII, 10, und Uhlands
‚Ver saerum“,