Der Augsburger Religionsfriede,
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wandern (werden also nicht mehr als Ketzer hingerichtet); c) die
kirchlichen Verhältnisse der Reichsstädte sollen so bleiben, wie sie
gerade waren; d) diejenigen Kirchengüter, welche die Protestanten
bis zum Jahre 1552 eingezogen haben, bleiben in ihren Händen;
2) wenn ein geistlicher Reichsstand zum Protestantismus übertritt,
muß er auf seine Stelle verzichten (reservatum ecclesiasticum). Die
letztere Bestimmung erließ Ferdinand „kraft kaiserlicher Vollmacht
und Heimstellung“, da sich die beiden Parteien über diese Frage
nicht einigen konnten.
So regelte Deutschland ohne Papst und Konzil selbständig seine
kirchlichen Angelegenheiten. Die Kirche wurde nunmehr auf das
religiöse Gebiet beschränkt, der Gotfesstaat war beseitigt, das Für-
stentum neuerdings befestigt, Der Augsburger Religionsfriede ist
kein Toleranzedikt, da er nur wenigen Personen die Wahl des Be-
kenntnisses frei ließ, die Frage des kirchlichen Vorbehaltes war nicht
gelöst und so enthielt der Friede den Keim zu neuen Wirren, wie
einst das Wormser Konkordat.
4. Luthers Charakter und Bedeutung. In seiner bäuerlichen
Abstammung wurzeln seine Derbheit und Genügsamkeit, sein Aber-
glaube und sein Starrsinn. Er war ein bedeutender Kanzelredner,
ein genialer Übersetzer, ein gewaltiger Volksschriftsteller. Großes
Verständnis besaß er für Musik und Poesie. Durch sein Mahn-
schreiben „An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes“ hat
er sich um die Hebung des Unterrichtswesens verdient gemacht.
Kurz vor Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges starb er in seiner
Vaterstadt.
5. Karls V. Charakter und Bedeutung. Karl war ein großer
Staatsmann voll weltumfassender Entwürfe und besaß trotz schwäch-
lichen Körpers eine seltene Arbeitslust. Ein Freund der Schweig-
samkeit und Meister der Selbstbeherrschung, pflegte er alles reif-
lich zu überlegen, an dem gefaßten Entschlusse aber unerschütter-
lich festzuhalten. Eine starke Stütze der katholischen Kirche, be-
trachtete er es als seine Hauptaufgabe, ihre Einheit zu retten; er ist
der letzte mächtige Vorkämpfer der mittelalterlichen Kirche. Da er
sein Ziel nicht erreichen konnte, verzichtete er auf die Kaiserkrone zu-
gunsten Ferdinands und trat Neapel, Mailand, die Niederlande und
Spanien samt den Kolonien an Philipp ab. Seine letzten Lebensjahre
brachte er neben dem Kloster S. Yuste in ländlicher Abgeschieden-
heit zu.