thumbs: Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält (Bd. 1)

244 
war. Traf der Bann einen Regenten, so war er für abgesetzt erklärt und 
die Unterthanen durften ihm nicht länger gehorchen. Wer dem Gebannten 
anhing oder ihn schützte, verfiel in dieselben Strafen. Wurde der Kirchen¬ 
bann auf ein ganzes Land ausgedehnt, so hieß er Interdikt. Während 
der Dauer des Jnterdicts hörten alle kirchlichen Handlungen auf, nur mit 
Ausnahme der Taufe. Keine Glocke durfte geläutet und das Abendmahl 
selbst den Sterbenden nicht gereicht werden; die Beerdigungen mußten ohne 
kirchliche Gebräuche vollzogen, aller Kirchenschmuck verhüllt oder entfernt 
werden. Ein ganzes Gebiet mußte dann für irgend einen in feiner Mitte 
begangenen oder geduldeten Frevel büßen, und selten vermochte das Volk 
diesen drückenden Zustand lange zu ertragen. 
Derjenige Papst, welcher das Papstthum zum denkbar höchsten Gipfel 
der Macht und des Glanzes brachte, war Jnnocenz 111. aus dem erlauch¬ 
ten römischen Hause der Conti, ein geistvoller und willensgewaltiger Mann, 
der, gebildet auf den Hochschulen zu Rom, Paris und Bologna, noch im 
kräftigen Mannesalter zum Haupte der Kirche erhoben wurde und dieselbe 
von 1198—1216 regierte. Als Gottes- und Rechtsgelehrter einer der 
ersten seiner Zeit, stand er an Frömmigkeit, sittlichem Ernst, an Begeiste¬ 
rung und Hingebung für die Kirche im Sinne des Papstthums einem 
Gregor VH. nicht nach, an Gelehrsamkeit, Scharfblick und Gewandtheit 
ihn noch übertreffend. Als das sichtbare Oberhaupt der Christenheit griff 
er in alle Staaten Europas, ja bis nach Konstantinopel hin, ordnend und 
richtend ein. In seinem Leben streng, war er ein Rächer jeglichen Un¬ 
rechts, ein Vater der Wittwen und Waisen und als Stellvertreter des höch¬ 
sten Versöhners, oft ein Vermittler des Friedens zwischen Völkern und 
Fürsten. Selbst arm und einfach lebend, sammelte er ungeheure Schätze 
zur Verwirklichung seiner geistlichen Weltherrschaft, wobei er seinen Ruhm 
freilich arg befleckte durch fein unchristliches und unmenschliches Verfahren 
gegen die s. g. Ketzer. Wie wir in der Geschichte des Hohenstaufen Kaiser 
Friedrich's II. sehen werden, trachtete Jnnocenz III. vor Allem dahin, den 
päpstlichen Stuhl durch Befestigung des Kirchenstaats, durch Befreiung Ita¬ 
liens von ausländischer Herrschaft und Trennung Neapels und Sieiliens 
von Deutschland politisch unabhängig zu machen. Nächftdem waren die 
Rettung der Kirche im Morgenlande, die Bevormundung des christlichen 
Staatenvereins, die Ausrottung der Ketzer und die strenge Ordnung der 
Kirche die Hauptgedanken seines Lebens. Davon ist ihm auch Vieles ge¬ 
lungen, und Dicht hat noch einmal durch ihn die gebildete Welt beherrscht. 
Vor ihm, der den Thron der Deutschen nach Gutdünken besetzte, neigten 
sich, wenn auch noch so unwillig, alle königlichen Häupter: einen König, 
Alphons IX. von Leon, zwang er durch Bann lind Interdikt, seine 
gesetzwidrige Ehe mit seiner Nichte aufzulösen; Philipp August von 
Frankreich mußte seine verstoßene Gemahlin Jngeburgis, die Schwester des 
Dänenkönigs Kanut, wieder annehmen; die Könige Peter II. von Ara- 
gonien und Johann von England erklärten ihre Reiche für zinsbare 
Lehen des römischen Stuhls. Am Ende seiner Tage, im Rückblick auf das 
glorreiche Werk seines Lebens, versammelte Jnnocenz III. um sich die Re¬ 
präsentanten der Christenheit auf der glänzenden vierten Lateransynode 
(der zwölften ökumenischen 1215), wo die Gesandten fast aller christlichen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.