Object: Welcher die Geschichte des Alterthums und des Mittelalters enthält (Bd. 1)

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Schlichtung ihrer Bürgerkriege den Feind selbst in das Land riefen und 
daß die einflußreichsten Männer sich zur Förderung seiner Absichten von 
ihm bestechen ließen. So wurde er von den Thebanern gegen die Phocier 
zu Hülfe gerufen, beendete den ersten s. g. heiligen Krieg und erhielt durch 
die Aufnahme in den Rath der Amphiktyonen (eine Art griechischer 
Bundestag und Bundesgericht) gesetzlichen Einfluß auf die Angelegenheiten 
Griechenlands (344). Im bald darauf beginnenden zweiten heiligen Kriege 
fand er die Gelegenheit, mit seinem längst gehegten Plane der Unter¬ 
drückung Griechenlands offen hervorzutreten. Am meisten mußte er noch 
Athen fürchten, das wiederum eine Flotte bekommen hatte und einen Theil 
der Küstenstädte Macedoniens beherrschte. Allein einen Theil der Männer, 
welche in der Volksversammlung daselbst am meisten galten, erkaufte er 
mit Geld, die andern wiegte er durch seine Schmeicheleien so lange in 
Schlummer ein, bis er sich endlich für stark genug hielt, die Maske abzu¬ 
werfen. Indessen hatte Athen noch zwei große Männer, deren Augen we¬ 
der vom Goldschimmer geblendet, noch vom Schmeicheldunst umnebelt wur¬ 
den. Dies waren der Feldherr Phocion und der Redner Demost¬ 
henes, von welchen der erstere durch ein bedeutendes Feldherrntalent 
und altgriechische Tugend sich auszeichnete, und der letztere von der Redner- 
bühne herab durch seine feurigen Reden das Volk zum Kampfe für seine 
Freibeit und gegen den gemeinsamen Feind zu begeistern verstand. Es 
gelang auch dem Demosthenes, die Griechen durch seine gewaltige Bered¬ 
samkeit aus ihrem Schlafe auszudonnern: Theben und Athen vereinigten 
sich, trotz ihres gegenseitigen Hasses, zu einem Bunde gegen Philipp, die 
Korinther und andere griechische Völkerschaften schlossen sich demselben an. 
Es war ein schönes Aufflammen der alten griechischen Vaterlandsliebe; aber 
der entscheidende Tag von Chäronea in Böotien (338), an welchem 
Philipp den Athenern und sein Sohn Alexander den Thebanern gegen¬ 
überstand, vernichtete die Unabhängigkeit Griechenlands. 
Durch alle wohlgesinnten Griechen, welche sich der alten Zeiten er¬ 
innerten, ging ein tiefer Schmerz über des Vaterlandes Fall und den Un¬ 
tergang der Freiheit. Aber zum Glücke Griechenlands verfuhr der König 
mit Schonung, mit Achtung für griechische Art und Bildung und weiser 
Mäßigung. Die Abgeordneten aller griechischen Staaten entbot er nach 
Korinth, um dort die Anträge des Siegers zu vernehmen. Alle Staaten, 
mit Ausnahme von Sparta, das mit verbissenem Schmerze dem Gang der 
Dinge zusah, schickten ihre Gesandten. Philipp selbst erschien, wagte es 
aber, aus Schonung für die republikanischen Regierungsformen der grie¬ 
chischen Staaten, nicht, sich König von Griechenland zu nennen, sondern 
stellte hier die Unterjochung Persiens, des Erbfeindes der Griechen, als 
das wahre Ziel seiner bisherigen Schritte dar, forderte, zur Ausführung 
dieses Zweckes und als Unterpfand ihrer Treue, Beiträge von Mannschaft 
und Schiffen und ließ sich zum Oberansührer der Griechen ernennen. Schon 
wurden großartige Rüstungen vorbereitet, und Philipp, von den Griechen 
mit unerhörten Huldigungen gefeiert, schien eine Stufe der irdischen Hoheit 
und des Ruhms nach der andern erklimmend, das Höchste erreichen zu 
können; schon ging die Schmeichelei soweit, daß bei der Vermählung seiner 
Tochter Kleopatra mit dem Könige von Epirus bei einem feierlichen Auf¬ 
zuge den vorausgetragenen Bildnissen der zwölf großen Götter das des
	        
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