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Gerücht, daß der todtgeglaubte Alfred noch lebe, sein Gefolge mehrte
sich von Tag zu Tag und mit diesem überfiel er endlich die sorglofen
Dänen und fügte ihnen eine solche Niederlage zu, daß sie sich aus
einen kleinen Theil von England beschränken mußten. Ihr Anführer
Guthrun ließ sich zur Annahme der Taufe bewegen, worauf Angel—
sachsen und Dänen Alfred als ihren König anerkannten. Ordnung
und Wohlstand kehrten allmälig zurück, die zerstörten Städte wurden
von neuem aufgebaut und London zur Hauptstadt erhoben. Alfred
sorgte für die dauernde Erhaltung des Friedens nicht bloß durch
eine tüchtige Kriegsmacht zu Lande, sondern auch zur See: 120 Schiffe
bewachten die Küsten, so daß die aus Dänemark immer von neuem
ausziehenden beutelustigen Schaaren sich nicht ungestraft England
nähern durften.
Alfred kümmerte sich nicht bloß um die Befreiung seines Volkes
vom fremden Joche, sondern auch um dessen Bildung durch Berufung
ausgezeichneter Gelehrten und Begründung guter Schulen. Er selbst
war in seiner Kindheit sehr wißbegierig, von seiner Mutter erlernte
er viele sächsische Lieder und erhielt von ihr als 12jähriger Knabe
ein Buch zur Belohnung, weil er früher als seine älteren Brüder
in demselben lesen gelernt hatte. Im Alter von 36 Jahren lernte
er das Lateinische und übersetzte mehrere Werke aus dieser Sprache
ins Angelsächsische. Sorgsam in der Eintheilung seiner Zeit bestimmte
er von den 24 Stunden des Tages 8 den Regierungsgeschäften,
8 den Studien und dem Gebete und 8 der Pflege des Körpers und
dem Schlafe. Seine Einnahmen theilte er in zwei Hälften ein, die
eine verwendete er für weltliche Zwecke: Krieg, Bauten, Gastfreund—
schaft u. s. w., die andere für geistliche Zwecke: Kirchen, Schulen,
Arme u. s. w.
— 5. Ludwig der Deutsche und das großmährische Reich.
(CLudwig und Rostislaw.) Der Antheil, den Ludwig der
Deutsche durch den Vertrag von Verdun (848) *) von dem karolin—
gischen Reiche erhalten hatte, konnte sich mit den seinen Brüdern zu—
gefallenen Loosen in allem, was Kultur und Reichthum betraf, nicht
messen, denn Deutschland war damals noch ein ausgedehntes Wald⸗
land, während Frankreich und Italien mit zahlreichen und blühenden
Städten bedeckt waren. Unter den Zielen, denen Ludwig als
deutscher Herrscher nachstrebte, stand obenan die Besiegung der an—
grenzenden slavischen Völterschaften und die engere Verbindung
*) Siehe Theil II S. 17.