Full text: Lehrbuch der Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie für Mittelschulen

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wurde, so trat die Gefahr immer näher, daß statt einer tirchlichen 
Reform eine Revolution, eine Kirchentrennung, erscheinen werde. 
Das Volk lief daher den Neuerern zu, als diese — Luther, 
Zwingliu. a. — gegen kirchliche Mißbräuche sich erhoben, um 
so mehr, als diese Männer Anfangs noch immer auf dem Boden 
der allgemeinen Kirche zu stehen, also wirkliche Reformer zu fein 
schienen, und erst dann sich von derselben trennten, als alle Ver— 
suche einer friedlichen Einigung gescheitert waren. Unterdessen war 
eine neue Generation herangewachsen, welche in feindseliger Stim— 
mung gegen die „römische“ Kirche auferzogen, auch dann von 
einer Rückkehr zur allgemeinen Kirche nichts mehr wissen wollte, 
als die — viel zu spät berufene — Kirchenversammlung von 
Trient wirklich eine Reform der Kirche in Angriff zu nehmen schien. 
Da die Kirche mit dem staatlichen Leben auf's engste ber— 
bunden war, so mußte eine Revolution gegen dieselbe nothwendig 
auch politische Erschütterungen im Gefolge haben. Der Kaiser 
war durch seine Würde sowohl wie durch seinen Eid zum Schutze 
der Kirche verpflichtet. Es wären daher jene Reichsfürsten, welche 
sich den neuen Lehren anschlossen, dadurch allein schon in Opposi⸗ 
lion mit dem Reichsoberhaupt gekommen, auch wenn sie sich nicht 
auf reichsunmittelbare Kirchengüter geworfen hätten, deren Besitz 
wohl bei den meisten der eigentliche Grund des Abfalles war. 
Die politischen Erschütterungen ließen nicht lange auf sich 
warten. Nachdem Franz von Sikingen eine Erhebung der 
Reichsritter eingeleitet, kam es bald in Schwaben, Franken und 
Thüringen zu furchtbaren Bauernkriegen. 
Wohl hatte Karl V. auf seinem ersten Reichstage zu Worms 
(1521) durch das Wormser-Edikt die Neuerungen strengstens 
verboten, und, da er sich aus Deutschland entfernte, seinem Bruder 
befohlen, dieses Edikt durchzuführen. Aber auf den Reichstagen 
zu Nürnberg (1522 u. 1524) nahmen bereits viele Fürsten die 
neuen Lehren offen in Schutz. Deßhalb verband sich Ferdinand 
zu Regensburg mit den baierischen Herzogen und vielen Bischöfen 
zur Durchführung des Wormser-Ediktes. Die Antwort der Gegner
	        
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