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Wahrheiten sind das Maß des Menschen“‘. Die Begriffe bleiben immer die gleichen; wenn
sie in Wirklichkeit verschieden sind, so liegt dies nur daran, daß das Denkvermögen
der meisten nicht richtig geschult ist. Sache des denkenden Menschen ist es, durch
strenge Untersuchung, auf welche Weise ein jedes Urteil entstehe, auf welchen Voraus-
Setzungen es beruhe, zu welchen Schlüssen es führe, sich die allgemein giltigen Begriffe
klarzumachen. Feststellungder Begriffe, ErforschungderDenk-
S°setze — das war der Weg, den Sokrates für alle Zukunft nicht allein der
Philosophie, sondern der Wissenschaft überhaupt gewiesen hat. Mit den Waffen des
Geistes vernichtete er die Sophistik und rettete die hellenische Kultur vor den zer-
Setzenden Einflüssen, die eine Lehre wie diese unfehlbar ausüben muß.
Nach der sokratischen Anschauung muß die Vernunft — das Höchste, was die
Gottheit dem Menschen gegeben hat — imstande sein, uns zu guten Handlungen an-
Zuleiten, die zugleich die allein wahrhaft nützlichen sind. Wer „sich selbst erkennt,“
der wird und muß tugendhaft sein. So kam Sokrates zu dem viel angefochtenen Satz
„Tugend ist Wissen‘. Dem rücksichtslosen Eigenwillen, den die Schüler der Sophisten
äls einzigen Leitstern anerkannten, stellt Sokrates den Hinweis auf die sittlichen
Pflichten der Menschen (die Eth1k) gegenüber,
Sokrates’ Gedanken und seine Persönlichkeit wirkten auf einzelne überwältigend,
aber von. der großen Mehrheit blieb er so unverstanden,daß sogar ein gebildeter Mann wie
Aristophanes gerade ihn auf dieBühne brachte, um an seinemBeispiel die Sophistik anden
Pranger zu stellen”). Als die Athener wieder zur Frömmigkeit der altenZeit zurückkehrten,
Sahen sie in Sokrates einen von jenen Männern, deren Lehren Gift in die Seelen ihrer Hörer
geträufelt hätten. Überdies war Sokrates ein Gegner der extremen Demokratie, in
der die geistig ungeschulte, urteilslose Menge das Regiment führte. Daß die beiden
Athener, die das meiste Leid über die Vaterstadt gebracht hatten, zur großen
Schar seiner Schüler gehörten, gab seinen Gegnern noch einen Grund mehr, um
ihn als „Leugner der Götter‘‘, „Einführer neuer Gottheiten‘‘ und ‚Verderber
der Jugend‘ anzuklagen. Zum Tode verurteilt, trank er in Gesprächen mit seinen
Schülern, heiteren Sinnes den Schierlingsbecher (399).
Der Zug der Zehntausend (401—400.) In Persien kam um diese Zeit Arta-
Xerxes IL zur Regierung. Gegen ihn erhob sich sein jüngerer Bruder Kyros,
der sich zur Herrschaft weit besser befähigt und auch besser berechtigt glaubte,
da Artaxerzes noch vor der Thronbesteigung seines Vaters geboren war. Auf den
Sieg konnte Kyros nur dann hoffen, wenn es ihm gelang, ein griechisches Heer
1 seine Dienste zu nehmen. Das war unschwer zu erreichen. Der 27jährige Krieg
hatte das Söldnerwesen von neuem gezüchtet. Ein Söldnerheer von über 10.000 Mann
og dem Kyros zu, als er den Aufruf ergehen ließ. Die Griechen folgten ihm bis
Babylonien und schlugen die Heerscharen des Königs bei Kunaxa; aber der Prinz
Selbst fiel im tapferen Kampfe und die Söldnerführer wurden bei einer Unter-
'edung mit persischen Großen festgenommen und niedergemacht. Die griechi-
chen Truppen wählten jedoch neue Anführer, darunter den jungen Xenophon,
dem wir die anschauliche Erzählung dieser Ereignisse verdanken?), und schlugen sich
Mitten durch das feindliche Land, ungeachtet aller Angriffe und Beschwerden, bis
um Schwarzen Meere durch. Der kühne „Zug der Zehntausend‘‘ lehrte die Griechen,
') In den „Wolken“. — ?) In der „Anabasis“.