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er bildete das äußerliche Kennzeichen für die Scheidung der unter besonderem
yöttlichen Schutze stehenden Stadt, innerhalb deren das Friedensrecht galt und
zeine Waffen getragen werden durften, und des unheiligen Ackerlandes (ager).
Im Laufe der Zeit zog die Stadt auch die anderen Hügel in ihren Bereich. Auf
manchen hatten vielleicht ursprünglich selbständige Gemeinwesen bestanden, so nament-
lich auf dem Q u irin al. Nach der Überlieferung ließen sich auf diesem Sabiner nieder.
die sich nach anfänglichem Zwiste mit den Latinern des Palatin zu einer Gemeinde
verbanden. Daß der Quirinal in der ältesten Geschichte Roms eine hervorragende Rolle
spielte, beweist der offizielle Name des römischen Volkes populus Romanu$®
Quiritium und die Verehrung, die der Gott des Hügels, Quirinus, genoß*).
Durch die Vereinigung der Hügelgemeinden, die den zweikuppigen kapitolinischen
Hügel zur gemeinsamen Burg bestimmten, wurde Rom die größte Gemeinde von Latium.
Die Römer griffen auch auf das jenseitige Tiberufer über und besetzten die isolierte
Erhebung des Janiculus; sie waren stark genug, um an der Tibermündung einen
Vorort, Ostia (d. 1. „Mündung“‘), anlegen und behaupten zu können, der vor allem
wegen der in der Nähe gelegenen Salzwiesen von Bedeutung war. Die nächste Um-
rebung Roms, die heutige Campagna, wurde gleichfalls dem römischen Gemeinwesen
ainverleibt.
Während die Latiner Bauern oder Viehzüchter blieben, trat in Rom neben diese
Beschäftigungen, die immer die Hauptrolle spielten, das Geschäftsleben
ınd der Handelsverkehr. Vom Apennin herab kamen auf dem Tiber und
dessen unweit von. Rom mündendem Nebenfluß Anio Bauholz, Steine und Vieh; vom
Meere her werden frühzeitig griechische Kauffahrer den Weg nach Rom gefunden
haben. Die vielbenützte Landhandelsstraße, die von Etrurien nach Kampanien führte,
zing ebenso durch Rom wie die via Salaria, auf der das den Römern gehörige
Salz von Ostia ins Gebirge transportiert wurde, So entfaltete sich in Rom ein
selbständiges städtisches Leben, das dem politischen Eigenleben der griechischen
Polis entspricht. Rom wurde, wie Athen, Sparta, Korinth u. a. m., ein Stadt-
staat. Die Lage ihrer Stadt nötigte die Römer auch zu dauernder Anspannung
ihrer militärischen Kraft. Schon in früher Zeit bildeten sich die Charaktereigen-
schaften des römischen Volkes: der nüchterne, praktische Verstand, in dem sich die
Schlauheit des Bauern mit der Berechnung des Kaufmannes verband, der Sinn für
Ordnung und Recht, die Zähigkeit und Disziplin, endlich der fromme, standhafte
Aaube.
Religion. Der Glaube der Römer war nüchtern und schwunglos, aber zugleich
ernst und streng?). In jedem Vorgang, jeder Erscheinung, jedem Einzeldinge des
öffentlichen und privaten Lebens ist nach römischer Anschauung eine Gottheit
wirksam®). Der Machtbereich der römischen Götter hat demnach einen fest und
zumeist enge begrenzten Umfang.
Die römische Religion kannte in der ältesten Zeit weder Götterbilder noch Götterwohnungen-
da die Gottheit mit den Dingen und Handlungen untrennbar verbunden war, Erst unter etruskischem
und griechischem Einfluß sind die Römer zur bildlichen Darstellung einzelner Götter und zum Tempelbau
übergegangen.
1) Erst in später Zeit wurde er dem Stadtgründer Romulus gleichgesetzt. — *) Vgl. die Worte
des Polybios Quellenbuch Nr. 31 am Schlusse. — *) „Omnibus negotiis horisque interesse credebant
leos‘, sagt ein römischer Schriftsteller. Diese Anschauung ist altindogermanisch (vgl. S. 33).