Full text: Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters

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Fiesole ist deshalb der unübertroffene Darsteller des Seelenschmerzes 
und der Seelengröße in den Bildern der Leiden Jesu Christi, die er tief bewegt 
anter Thränen zu malen pflegte. Zugleich weiß er in seinen Engel- und 
Menschengesichtern die Seelenreinheit mit holder Anmut und Lieblichkeit zu 
verbinden; darum nannte man ihn il Angelico (den Engelhaften). 
Unter den späteren Meistern ragen die Florentiner Masaccio, 
and Dom. Ghirlandajo (; 1498) hervor, dessen Vorliebe biblische 
Ereignisse und kirchliche Legenden als Grundlage für Bildnisse 
der Zeitgenossen zu verwenden an die Richtung der niederländischen 
Schule gemahnt. Ernstliches Studium der Perspektive, der Anatomie 
des menschlichen Körpers und endlich der klassischen Bildwerke 
des Altertums führte am Schlusse des 15. und am Beginne des 
16. Jhdts, jene höchste Blüte der Malerei herbei, welche durch 
die Namen Leonardo da Vinci (1452—1519), Rafael Sanzio 
‘1483 —1520) und Michel Angelo (1474 —1563) gekennzeichnet ist. 
c) Literatur. 
@) Dichtkunst. Das Hervortreten des bürgerlichen Elementes 
and die Pflege der verschiedenen Nationalsprachen kennzeichnen 
lie Entwicklung der Literatur dieses Zeitraumes, 
In Deutschland sank mit dem Rittertume der Minnegesang. 
Die Sänger verließen die ritterlichen Burgen, in welchen nur die 
Außerlichkeiten des Rittertums, und diese oft in abenteuerlicher 
Weise (Ulrich von Liechtenstein), gepflegt wurden, um in den Städ- 
ten (wie Frauenlob) oder auf den Dörfern (wie Nithard) dank- 
bare Zuhörer und Gönner zu finden. Auch das Epos verfiel und 
Jie alten Heldensagen erhielten sich nur in kurzen Bearbeitungen, 
welche im „Heldenbuche” gesammelt erscheinen. An ihre Stelle 
raten gereimte historische Erzählungen (Reimchroniken) von 
zeringem poetischen, aber um so größerem historischen Werte, oder 
Jem Zuge der Zeit entsprechend, Allegorien, wie der Theuer- 
lank (des Melchior Pfinzing) und der Weißkunig (des Marcs 
Treitzsauerwein). 
Bei dem Aufstreben des Bürgertums fand auch die Dicht- 
kunst in den Städten sorgfältige Pflege. Es entstanden daselbst 
Meistersänger, die nach den Regeln der Tabulatur ihre Lieder ver- 
fassten und das Hauptgewicht auf die äußere Form des Gesanges 
legten. Durch das Überwiegen des bürgerlichen Elementes wurde 
lie Poesie in das praktische Leben herabgezogen. Sie sollte 
anterhalten und belehren. Der Unterhaltung trugen die „Schwänke”” 
Rechnung, welche deshalb in. Aufnahme kamen. Der „Pfaffe vom
	        
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