Full text: Die Neuzeit vom westfälischen Frieden bis auf die Gegenwart (Teil 3, [Schülerband])

38 
VIIL Josef IT. (1765 — 1790) und Leopold II. (1790—1792), 
1. Josefs II. Persönlichkeit. 
Beim Tode Maria Theresias befanden sich die österreichischen Länder, 
jeren Regierung jetzt Josef IL. (Fig. 21) übernahm, in einem sehr guten 
Zustande. Das Beispiel seiner Mutter, die gute Erziehung, die sie ihm hatte 
zu teil werden lassen, und das Studium hervorragender Schriftsteller seiner 
Zeit hatten in dem Kaiser eine edle, menschenfreundliche Gesinnung geweckt 
and befestigt. Im J. 1777 besuchte er Frankreich, in dessen Einrichtungen 
und Anstalten er genaue Einsicht gewann. Auf den vielen Reisen, die er 
in seine Provinzen machte, lernte 
er auch die Zustände und Bedürf- 
nisse seiner Völker kennen. Josef II. 
unternahm seine Reisen nicht mit 
kaiserlichem Prunke, sondern als 
schlichter Privatmann, meist als 
„Graf von Falkenstein‘‘. Die zahl- 
reichen Wohltaten, die er allent- 
halben erwies, die vielen Beweise 
seiner Gerechtigkeitsliebe und 
seines Edelsinnes gewannen ihm 
die Licbe seiner Untertanen. Auf 
einer Reise durch Mähren verließ 
ar einst bei einem Dorfe in der 
Nähe von Brünn seinen Wagen, 
trat an einen ackernden Bauer 
heran und zog mit dem Pfluge 
eine Furche, An der Stelle, wo der 
Kaiser der Arbeit des Landman- 
nes in dieser Weise seine Achtung 
bezeigte, steht zur Erinnerung 
daran ein Denkmal. Vor allen 
lernten die Bewohner der Hauptstadt Josefs II. Güte kennen. Täglich erschien 
ar mehrmals in dem sogenannten Kontrollorgange in der Hofburg, um Bitt- 
schriften entgegenzunehmen. Der Gang war jedesmal mit vielen Bittstellern, 
zumal aus den unteren Volksklassen, gefüllt. Und Josef II. half, wo er 
helfen konnte. Der Wohltäter der ganzen Stadt Wien wurde er dadurch, 
daß er den kaiserlichen Augarten und den Prater zur allgemeinen Benutzung 
öffnete. „Es gibt keinen schöneren Beinamen,“ sagte er einmal, „als den, 
Vater seines Volkes zu heißen.‘
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.