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Allgemeine Erdkunde.
§J5. Alle vom Wasser umgebenen Lnndstücke, die kleiner sind als
das Festland von Australien, werden Inseln genannt. Nach ihrer Lage
pflegt man sie in festländische (kontinentale) und ozeanische Inseln
einzuteilen.
Die festländischen Inseln, meistens durch Senkung der Festländer oder
Veränderung in der Höhe des Meeresspiegels und durch Einbruch des Meeres ins
Festland entstanden, liegen häufig reihenweis geordnet, sind langgestreckt, und ent¬
weder in gleicher Richtung wie die benachbarte Küste angeordnet (die deutschen
Nordsee-Inseln, der australische Binnengürtel), oder sie erscheinen als Fortsetzung
der Bergketten des Festlandes (die Kykladen an den Küsten Griechenlands). Zn
den festländischen Inseln gehören auch die britischen, die großen Massen der ost-
nnd der westindischen und die arktische Inselwelt Amerikas.>
Die ozeanischen Inseln gehören meist dem freien Ozean an und stehen zu
den großen Erdfesten in keiner engeren Beziehung. Sie sind entweder die letzten
Gipfel eines verschwindenden Festlandes, oder ans der Tiefe des Meeres aufge¬
stiegene Vulkane und dann stets hoch; küstennahe, wie Stromboli im Tyrrhenischen
und Santorin im Agäischen Meere, aber auch küstenfern, wie z. B. Neu-Amster-
dam und St. Paul, einsam gelegen im s. Indischen Ozean.
Die fleißigsten Bildner von Inseln sind die Korallen; das sind gallertartige
Tiere, die zum Ban ihres Stockes eine kalkige Blasse ausscheiden und sich durch
Knospung und durch Eier vermehren. Diese pflanzenförmigen Bildungen gedeihen
auf dem Meeresboden, wenn er nicht über 40 m tief ist, wachsen zu mächtigen Riffen
empor, nmsäumen die Festländer und Inseln lWestindien, Polynesien) und bilden
auf den Resten verschwindenden Landes oder ans untermeerischen Bodenerhebungen
selbständige Inseln. Sind die letzten Teile eines Landes verschwunden, so bleiben
nur völlig flache Koralleninseln (Atolle)*) dem Auge sichtbar. Korallen kommen
jedoch nur in Meeren vor, deren Wärme nicht unter fl- 18" C sinkt; sie sterben,
wenn ihr Stock die Meeresoberfläche erreicht.
Mehrere in größerer Nähe bei einander iiegeube Inseln bilden eine
Inselgruppe oder einen Arch ipel. Die größten Inseln sind, abgesehen
von Gröilland, in Tausenden von qkm:
Neu-Guinea. . . 785 Madagaskar. . . 600 Großbritannien. . 230
Borneo .... 735 ; Sumatra.... 465 Hondo.....225
Manche Inseln eignen sich wegen ihrer Gestalt sehr wohl zu Vergleichen beim
Abschätzen von Flächengrößen, so Bornhölm 550, Sicilien 26000 (= West¬
preußen, Prov. Sachsen oder Böhmen), Ceylon 64000 qkm.
§ 16. Die Umrisse der Festländer oder Inseln, die vom Meere bespült
werden, heißen: Küsten, Strand, Gestade.
Diese Berührungsstellen zwischen Land und Meer sind in steter Veränderung
begriffen, die namentlich durch die Brandungswelle des Meeres bewirkt wird.
Wenn nämlich die Wellen auf den Strand stoßen, so wird die Bewegung ihrer
unteren Teile durch die Reibung aus dem Boden verlangsamt, während die oberen
über jene im Bogen hinweg rollen und mit so großer Heftigkeit gegen die Küste
stoßen, daß sie bei Stürmen Gesteinsmassen von mehreren Tonnen Gewicht gegen
sie zu schlendern vermögen. Die Brandungswelle pflegt namentlich Steilküsten
anzugreifen, indem sie die unteren Schichten ausnagt (erodiert), so daß die oberen
nachstürzen. Dies ist z. B. bei Helgoland**) der Fall, dessen Felsen jährlich um
5 cm zurückgehen. Um das Jahr 1070 war es noch 2,8 km breit (heute 0,5)
:) S. Heft 3, Bilderanhang S. 82.
**) S. Heft 1, Bilderanhang S. 2^.