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Täufers, freilich nicht ein siegreicher Wegräumer aller Hindernisse, sondern als
Wegebereiter des leidenden und sterbenden Messias ein leidender und
sterbender Elia.
Der Abschnitt Mt. 1722: Die Tempelsteuner bietet eine weitere
Illustration der von Jesus des öfteren vertretenen Meinung, daß das Ver—
halten des Menschen zu den kultischen Gebräuchen für seine innere Stellung
zu Gott belanglos ist. Wenn er die Tempelsteuer leistet, geschieht es. weil
nan in gleichgiltigen Dingen keinen Anstoß geben soll.
Eine Sonderbehandlung verlangt auch das Gespräch mit dem
Reichen Me. 10042, Mt. 19858. Die Worte, mit denen Jesus die An—
rede „gut“ abwehrt, sind getragen von dem ganzen Ernste einer nach dem
höchsten Ziele ringenden Seele, die niemals an dem Erreichten sich genügen
lassen wird, aber auch von einer tiefen Empfindung von der Unvergleichbarkeit
menschlicher und göttlicher Güte: Vollkommenheit ist das Vorrecht Gottes,
Menschen sind nur sittlich Werdende und Fortschreitende. Diese demütige
Selbstbescheidung Jesu, die zu den späteren Anschauungen von Christus nicht
mehr paßte, erfährt demgemäß schon in der Mt.⸗Darstellung eine abschwächende
Umformung.
Wie überhaupt die Sprüche über die Leidensnachfolge ihr volles Licht
erst bekommen, wenn sie verstanden werden aus dem besondern Ernst der
Verhältnisse, unter denen sie gesprochen sind, da Jesus alle Brücken hinter
sich abgebrochen fühlte und vor sich nur Verzicht und Kampf, Leiden und Tod
sah, da es galt, um sich eine Schar heroisch entschlossener Mitstreiter zu
sammeln, so gibt erst die Rücksficht auf diese besondere Lage auch den Schlüssel
zum Verständnis des Gesprächs zwischen Jesus und dem reichen Jüngling.
Nur die Hoffnung Jesu, den Vielversprechenden, der ein volles Empfinden
dafür hat, daß eine außerordentliche Zeit auch außerordentliche Leistungen
fordert, zum vertrauten Mitstreiter seines letzten Zuges zu erheben, erklärt
die Forderung sofortiger Abwendung von seiner ganzen bisherigen Existenz.
So läßt fich dieses gewaltige Wort Jesu aus der besondern Lage heraus
nicht ohne weiteres verallgemeinern und auf alle anderen Verhältnisse über⸗
tragen. Das bedeutet aber durchaus nicht eine Abschwächung der Forderung
Jesu, vielmehr vermittelt gerade der Schluß der Erzählung einen starken
Eindruck der Seelengefährlichkeit des Reichtums. — Eine Verallgemeinerung
der Forderung bietet allerdings ihre Formulierung bei Mt., indem hier
Kap. 19 23) zwei abgestufte Forderungen unterschieden werden: Für die
Menge der Gemeindeglieder genügt es, wenn sie die „Gebote“ halten, wer
aber vollkommen sein will, von dem wird diese außerordentliche Leistung ver⸗
langt. Solche verhängnisvolle Unterscheidung einer niederen Sittlichkeit von
einer höheren hat dann im Katholizismus die Entstehung des Mönchtums
begünstigt.