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Nationalitätengesetz, welches das Magyarische zur Staats- und Amtssprache
erklärte, und das Gesetz über den Ausgleich mit Kroatien (1868) erwähnt.
In Österreich versuchte ein vom Grafen Potocki gebildetes Ministerium
vergeblich die Parteien zu versöhnen. Das Ministerium, das unter dem Präsidium
des Grafen Hohenwart im Februar 1871 ins Amt trat und dem Schäffle
als Handelsminister angehörte, versuchte den Frieden durch Erfüllung der
Wünsche der Tschechen und Polen herbeizuführen. Diese Regierung verein-
barte mit den Führern der Tschechen (dem Grafen Clam-Martinitz und Rieger)
die sogenannten Fundamentalartikel, in denen dem böhmischen Landtage
die Gesetzgebung in allen Böhmen betreffenden Angelegenheiten, mit Aus-
nahme der im ungarischen Ausgleiche für gemeinsam erklärten, zugesprochen
wurde. Da alle verfassungstreuen deutschen Abgeordneten sich gegen dieses
Zugeständnis wandten und auch der Reichskanzler Beust und der ungarische
Ministerpräsident Andrassy sich im Interesse der Einheit und der Macht des
Staates dagegen aussprachen, bat Hohenwart um seine Entlassung.
Der Kaiser ernannte nun im November 1871 den Fürsten Adolf
Auersperg zum Ministerpräsidenten. Dem neuen, verfassungstreuen Ministerium
gehörte Freiherr von Lasser als Minister des Innern an. Diese Regierung
legte dem Parlamente einen Gesetzentwurf vor, nach dem die Zahl der Reichs-
ratsabgeordneten vermehrt und diese nicht mehr von den Landtagen, sondern
direkt gewählt werden sollten. Durch diesen Entwurf, der im April 1873
Gesetz wurde, sollte das Abgeordnetenhaus von den Landtagen unabhängig
gemacht und die Vertretung aller Länder im Reichsrate auch im Falle der
Opposition der Landtage gesichert werden. Von den anderen Gesetzen, die
damals geschaffen wurden, sei nur das erwähnt, das die Einführung von
Geschworenengerichten betrifft. Eine rege Tätigkeit wurde von dem Unterrichts-
minister Stremayr auf dem Gebiete des Schulwesens entfaltet (Ausbildung
(des gewerblichen Schulwesens). Auf die weitere Entwicklung der inneren Ver-
hältnisse hatte die äußere Politik großen Einfluß.
Im November 1871 war der Reichskanzler Beust seines Amtes enthoben
und Graf Andrassy zum Minister des Äußern ernannt worden. Andrassy ver-
stand es, ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Österreich, Deutschland
und Rußland herzustellen. Im September 1872 kamen die Kaiser Franz Josef,
Wilhelm I. und Alexander II. sowie ihre Minister Andrassy, Bismarck und
Gortschakoff in Berlin zusammen, wo eine Allianz zum Schutze des Friedens,
das Dreikaiserbündnis, geschlossen wurde. Die Lostrennung Rufßlands von
diesem Bündnisse trat infolge des russisch-türkischen Krieges ein.
Da die Regierung des türkischen Reiches die Christen fortdauernd hart
hbedrückte, erklärte Zar Alexander II. 1878 dem Sultan Abdul Hamid den Krieg.
Die Russen überstiegen den Balkan und drangen gegen Konstantinopel vor, so daß
der Sultan sich zum Frieden von St. Stefano (am Marmarameere) bequemen
mußte. Dieser Friede schuf ein unabhängiges bulgarisches Reich, das aus
Nordbulgarien (zwischen Donau und Balkan), Stidbulgarien (südlich vom
Balkan) und Mazedonien bestehen. also von der Donau und dem Schwarzen