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Auf der Wartburg. Luther trat getrosten Mutes seine
Rückreise nach Wittenberg an. Als er in die Nähe von Eisenach
kam, sprengten verkappte Ritter auf ihn zu, rissen ihn aus seinem
Wagen und brachten ihn auf die Wartburg. Diese Ritter kamen
auf Befehl des Kurfürsten Friedrich des Weisen, um Luther vor
seinen Feinden in Sicherheit zu bringen. Hier lebte er als Ritter
unter dem Namen Junker Georg fast ein ganzes Jahr lang vor den
Augen der Welt verborgen, und begann seine Übersetzung der Bibel.
Es war die edelste Gabe, welche er dem deutschen Volke bieten konnte,
denn dadurch hat er einem jeden die Möglichkeit verschafft, in der
Schrift zu suchen und Gottes Willen daraus zu erkennen. Die von Luther
bei der Bibelübersetzung angewandte Sprache (Dialekt) war die sächsische
Kanzleisprache (Erklärung!) und wurde damals nur von wenigen ge¬
sprochen. Bald aber wurde sie die allgemeine deutsche Schriftsprache,
und heute sprechen und schreiben alle Deutschen in Luthers Bibelsprache.
Die Bilderstürmer. Als Luther auf der Wartburg weilte,
machte die neue Lehre immer größere Fortschritte. Aber während der
Reformator nur durch die Predigt und das Wort Gottes die Leute
gewinnen wollt*, glaubten einige Anhänger seiner Sache, an deren
Spitze der Professor Karlstadt stand, sie könnten mehr durch Gewalt
ausrichten. Sie drangen in die Kirchen, zerstörten die Heiligenbilder*)
und Altäre, traten die Kreuze in den Staub und vertrieben die Priester.
Als Luther- von diesem Unwesen hörte, hielt es ihn nicht länger auf
der Wartburg. Trotz Acht und Bann eilte er nach Wittenberg und
brachte durch feine gewaltige Predigt die Aufrührer zur Ruhe.
Luthers fernere Thätigkeit. Luther lebte fortan ungestört
in Wittenberg, ohne daß jemand daran dachte, auf gründ der über
ihn ausgesprochenen Acht ihm ein Leid zuzufügen. Die auf der Wart¬
burg angefangene Bibelübersetzung führte er in Wittenberg mit Hülse
seiner Freunde, besonders des gelehrten Philipp Melanchthon zu
Ende. Zuerst erschien das Neue Testament, dann die ganze heilige
Schrift. Nächst der Bibelübersetzung besteht Luthers herrlichste Gabe
an das deutsche Volk in seinen Kirchenliedern. Eine große Anzahl
lateinischer Lieder, die das Volk nicht verstand, übersetzte er ins Deutsche;
so: „Komm, heiliger Geist" und „Herr Gott, dich loben wir." Dazu
dichtete er selbst eine Menge unserer schönsten Kirchenlieder. (Nenne
solche!) Das erste Gesangbuch der Christenheit wurde von ihm ver¬
faßt und enthielt acht Lieder, darunter vier von ihm selbst. Für
die Geistlichen schrieb er den großen und für die Kinder den kleinen
Katechismus.
*) Hierbei beriefen sich die Bilderstürmer auf 2. Mose 20, 4 u. 5.