06
Größere epische Dichtungen.
185. Des Patroklos Tod.
(Gesang XV, 138 ff.)
Panthoos' Sohn Euphorbos: er war vor sei⸗
nen Genossen
Trefflich im Lanzengefecht und im Lauf und
im Lenken der Rosse.
Zwanzig der Reisige hatt' er vordem vom
Wagen geworfen,
Als er das Kriegswerk lernend zuerst mit den
Rossen dahinfuhr:
30 Dessen Geschoß nun traf Dich zuerst, Roß—
tummler Patroklos;
Doch er bezwang Dich nicht, er flüchtete schnell
in die Heerschaar,
Als er die Esche der Wund' enträfft, und
wagte Patroklos
zu bestehn, obwohl der
waffenentblößt war.
Aber Patroklos, matt von Apollons Schlag
und dem Speerwurf,
Schaar der Genossen sich,
meidend das Unheil.
Aber sobald nun Hektor den muthigen Hel—
den Patroklos
Wieder zurückgehn sah, vom spitzigen Erze
verwundet,
Kam er ihm nahe daher in den Reih'n und
stieß mit dem Speer ihn
Unten hinein in den Bauch, daß ganz ihm
die Spitze hindurchfuhr.
40 Dröhnend slürzt er dahin; ihn betrauerten
tief die Achäer.
Gleichwie den grimmigen Eber ein Leu im
Kampfe bewältigt,
Die auf hohem Gebirge mit trotzigen Muth
sich bekämpfen
Am schwachrinnenden Quell: es verlangt sie
beide, zu trinken;
Aber, wie lang er auch schnaubt, ihn bezwingt
der gewaltige Löwe:
Also bezwang des Patroklos Kraft, der Viele
gemordet,
Hektor, Priamos Sohn, und entriß mit dem
Speer ihm das Leben.
Laut frohlockte der Held und rief die geflü—
gelten Worte:
„Unsere Stadt, Patroklos, gedachtest Du schon
zu zertrümmern,
Frauen der Freiheit Tag
zu entreißen
zu entführen nach Haus
in's liebe Geburtsland!
Thor! noch sind sie geschützt durch Hektor's
hurtige Rosse,
Welche gestreckt hinjagen zur Schlacht. Selbst
schwing' ich den Wurfspeer
Grimmwoll stürzte sich nun Patroklos unter
die Troer,
Dreimal stürzt' er hinein, wie der wildanstür—
mende Ares,
Drohend mit grausem Geschrei; dreimal neun
Männer erschlug er.
Als er jedoch zum Vierten hineindrang, gleich
wie ein Dämon,
Jetzt war Dir, Patroklos, das Lebensende
genahet,
Denn es begegnete Dir in der Feldschlacht
Toben Apollon
Fürchterlich. Doch er bemerkte den Wandeln—
den nicht im Getümmel,
ganz dicht von Gewölk
umhüllet daherschritt.
Hinten genaht schlug dieser den Rücken ihm
zwischen den Schultern
10 Hart mit der Fläche der Hand: da schwin⸗
delten Jenem die Augen.
Aber vom Haupt auch warf ihm den Helm
ab Phöbos Apollon:
schnell und erklang von
den Hufen der Rosse
Helm; und mit Staub
und Blute besudelt
Wurde der wallende Busch. Vordem war's
nimmer gedenkbar,
Daß der gemähnete Helm vom Staub des
Gefildes befleckt ward,
Als er dem göttlichen Manne das Haupt und
die liebliche Stirn noch
Schirmte, dem Peleussohn. Doch nun gab
Zeus ihn dem Heltor,
Um sein Haupt zu bedecken; ihm nahte ja
schon das Verderben.
Gänzlich zerbrach in der Hand ihm die weit—
hin schattende Lanze,
20 Groß und gediegen und schwer, die gestählete;
aunch von den Schultern
Stürzte zusammt dem Gehenk der bedeckende
Schild in den Staub hin;
Zeus Sohn löste den Panzer ihm noch, der
Gebieter Apollon.
Schrecken benahm ihm die Sinne; gelähmt an
den blühenden Gliedern,
Da stieß die geschliffene
Lanze von hinten
Ihm ein dardanischer Mann in das Rückgrat
zwischen die Schultern,