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Der Flachs oder Lein (Fig. 146) ist eine einjährige Pflanze. Er hat
einen aufrechten, 30—60 em hohen Stengel, der nur oben verästelt und mit
schmalen Blättern besetzt ist. Die Wurzel ist dünn und dringt senkrecht in den
Boden ein. Die regelmäßigen Blüten haben fünf spitzige Kronenblätter, fünf
Staubgefäße und einen Stempel mit fünf Griffeln. Die Frucht ist eine zehnfächerige
Kapsel mit braunen, glänzenden Samen (Haarlinsen).
Der Flachs wird seines vielfachen Nutzens wegen besonders in der Sudeten⸗
ländern häufig angebaut. Wenn die Samenköpfchen der Reife nahe sind, wird er
ausgerauft und auf dem Felde zur Nachreife ausgebreitet. Hierauf werden die
trockenen Flachspflanzen durch einen großen, eisernen Kamm gezogen, wodurch die
Samenkapseln abgerissen werden. Die Sten⸗
gel breitet man neuerdings, reihenweise ge⸗
ordnet, auf Stoppelfeldern aus und überläßt
sie einige Zeit hindurch den Einwirkungen
des Taues und der Sonne (Rösten). Nach⸗
dem die holzigen Teile mürbe geworden sind
und sich in der Hand zerreiben lassen, wird
der Flachs in Bündel gebunden und bis zu
weiterer Verarbeitung vorläufig an einem
trockenen Orte aufbewahrt. Der Lein darf
nicht zu lange den Einflüssen der Witte—
rung ausgesetzt werden, da sonst die Leinen⸗
faser auch angegriffen wird und statt der
schönen, goldgelben Farbe ein schmutziggraues
Aussehen erhält. Wenn die wichtigsten Feld⸗
arbeiten vorüber sind, wird der Flachs in
die Dörrhütte gebracht, scharf getrocknet und
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große Ähnlichkeit mit zwei nebeneinander
liegenden Scheren hat, gebrochen. Hierauf
wird er geschwungen, um ihn von allen
holzigen Teilen zu befreien, und dann
gehechelt, wobei die reine Flachsfaser zum
Vörschein kommt, während die kurzen und verworrenen Fäden als Werg zurück—
bleiben. Die schönen Flachsfasern werden in Kloben gebunden, im Hause auf dem
Spinnrade oder heutzutage in Fabriken versponnen und auf Webstühlen zu Lein—
wand verwebt.
Rohe Leinwand hat ein graugelbes Aussehen und erhält erst durch die Bleiche
ihre blendend weiße Farbe. Häufig wird die Leinwand mit Baumwolle verfälscht.
Ünter dem Mikroskop erscheint die Flachsfaser rund, die Baumwollfaser flach und
gedreht. Aus dem Werg werden grobe Gewebe und Stricke verfertigt. Die
Zamen liefern das Leinöl, dessen Hauptverwendung zur Olfarbe auf der Eigen⸗
schaft beruht, daß es, in dünnen Lagen auf einen Gegenstand gestrichen, bald ein—
trocknet und einen wasserdichten Überzug bildet.
Die ausgepreßten Samen (Olkuchen) dienen als Viehfutter und zur Bereitung
von Dünger.
Der Flachs hat einen eigentümlichen Feind aus der Pflanzenwelt, die so—
genannte Flachsseide. Diese ist ein blattloses Gewächs, dessen rötliche, faden—
sörmige Stengel mit kleinen Saugwarzen versehen sind. Mit diesen saugt sich die
Flachsseide an anderen Pflanzen fest (Flachs, Klee ꝛc.) und ernährt sich von diesen,